Arbeit kann zum Glück beitragen, keine Frage. Manchmal entwickelt diese bei uns aber auch ein Eigenleben, das vielleicht nicht immer ganz so glücksförderlich ist. Wenn sich Optimierungsdrang und Perfektionismus einschleichen und die an sich gute Arbeitsmoral überwältigen und korrumpieren.
Kennst du die Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral von Heinrich Böll? Falls nein, lege ich dir die Lektüre sehr ans Herz. Sie dauert auch gar nicht lange. Im Internet ist sie leicht auffindbar. Böll schrieb sie, so erfährt man online, für eine Sendung des NDR zum Tag der Arbeit 1963 …
Hier kommt nun eine moderne, oder sagen wir: aktuelle, Version. Natürlich mit ein wenig autobiographischer Prägung.
Ein deutscher Tourist – belassen wir es bei der Namenslosigkeit, denn er steht möglicherweise für viele – quartierte sich, um Geld zu sparen, in einem kleinen, gemütlichen Airbnb-Apartment auf einer griechischen Insel ein, welche von einem sagenhaft türkis-blau-grünem Mittelmeer umspült wurde.
Es gefiel ihm ziemlich gut dort. Die Sonne, die langen freien Tage, der Müßiggang – wenngleich etwas in ihm immer noch getrieben war. Gar nicht leicht das Ungewohnte!
Er füllt seine Tage mit Tun, mit Ausflügen, Kochen und Dergleichen. Legt er sich einfach auf ein Badetuch am Strand, so wird das Leichte recht schwer, es sei denn, die Sonne grillt seinen Schädel, bis dieser in der Hitze- und Lichtflut kaum noch zu denken vermag.
Nach einigen Tagen fällt dem deutschen Touristen auf, dass die anderen drei Apartments gar nicht belegt sind. Er ist der einzige Gast, der von dem Betreiber, einem alten Griechen, herzlich mit allerlei versorgt wird, was gar nicht im Preis inbegriffen war, wie der Tourist bei sich denkt und oft ein schlechtes Gewissen hat.
Er beschließt, den alten Griechen, der ein paar Brocken Deutsch spricht, mit dem Umstand, ja vielleicht sogar Missstand, zu konfrontieren, beziehungsweise – um der guten Beziehung wegen – sanft zu befragen.
Wie kommt es, fragt er, dass die anderen Apartments leer stehen?
Der alte Grieche zieht die Schultern hoch und lächelt verschmitzt.
Wäre es denn nicht rentabler, äh, mehr Geld, wenn mehr Touristen da wären?
Der alte Grieche zieht wieder die Schultern hoch.
Also, man könnte ja Werbung machen. Das hier ist ja schließlich so ein schöner Ort.
Beide schweigen für eine ziemliche Weile und der deutsche Tourist fragt sich, ob der alte Grieche ihn verstanden hat. Dieser sieht ihn mit müden Augen an. Schließlich steht er auf, geht zu seinem Grill, um die Bifteki zu wenden, die er sich heute gekauft hat.
Dann sagt er: Weißt du, wenn wenige hier, dann normal. Wenn viele hier, auch normal. Ich freue mich. Das hier ist Glück. Ich habe viele Monate wie Urlaub. Siehst du Meer und Himmel, riechst du Bifteki? Das denken ich.
Der deutsche Tourist schwieg nun und verstand vielleicht für einige Sekunden etwas, das ihm seine Kultur nicht leicht machte.
Möchtest du mehr mittelmeerische Glückspirationen? Sehr gerne, hier kommen sie:
- Meraki – mit ganzem Herzen (Glücksimpuls Nr. 14)
- Keyif – die Kunst des gut gelaunten Nichtstuns (Glücksimpuls Nr. 28)
Foto: (c) A. Martens