Glück durch Selbstwirksamkeit? Über die Wichtigkeit der Überzeugung, etwas bewirken zu können statt passiv den Umständen ausgeliefert zu sein.
Was ist Selbstwirksamkeit?
Für meinen Namensvetter Jens-Uwe Martens spielt die so genannte Selbstwirksamkeit* eine zentrale Rolle für unser Glück. Mit Selbstwirksamkeit ist, sehr vereinfacht gesagt, die Fähigkeit gemeint, Einfluss auf unsere Umstände, unseren Lebensweg und vielleicht sogar andere Menschen und die Welt nehmen zu können. Alternativ könnte man auch sagen, Selbstwirksamkeit ist ein Vertrauen in ausreichende eigene Kompetenzen, in bestimmten Situationen gewünschte Handlungen ausführen und mit ihnen etwas bewirken zu können. Sie ist eng verwandt mit dem psychischen Grundbedürfnis nach Kontrolle, aber auch mit dem Bedürfnis nach Autonomie (Selbstbestimmung). Wichtig dabei ist, dass mit Selbstwirksamkeit(-serwartungen) keine Gelingensgarantie einhergeht. Selbstwirksamkeit bedeutet nicht vollständige, 100%-ige Kontrolle.
Der Begriff der Selbstwirksamkeit (im Englischen self-efficacy) wurde in den 1970er-Jahren von dem kanadischen Psychologen Albert Bandura (1925-2021) im Rahmen seiner Sozial-kognitiven Lerntheorie geprägt, auch wenn die Idee dahinter wesentlich älter sein dürfte. Ein konzeptuell verwandter Vorgänger ist beispielsweise der so genannte locus of control (Kontrollüberzeugung) von Julian B. Rotter (1916-2014).
Die psychologische Forschung hat in den letzten Jahrzehnten zahlreiche Belege dafür sammeln können, dass eine höhere Selbstwirksamkeit u. a. mit einer niedrigeren Anfälligkeit für psychische Erkrankungen wie affektive und Angststörungen einhergeht.
Was hat Selbstwirksamkeit mit dem Glück zu tun?
Warum erfordert Glück Selbstwirksamkeit – zumindest in einem gewissen Ausmaß? Macht Selbstwirksamkeit glücklich?
Ich würde diese Fragen zweigeteilt beantworten. Selbstwirksamkeit ist einerseits wichtig fürs Glück, weil sie Menschen u. a. dazu befähigt, (mehr) Handlungen durchzuführen, die ihnen dabei helfen, ihre eigenen Ziele zu verfolgen und Bedürfnisse zu befriedigen. Letzteres habe ich in meiner eigenen bedürfnisorientierten Theorie des Glücks ausgeführt. In diesem Fall ermöglicht oder fördert Selbstwirksamkeit bzw. eine Selbstwirksamkeitserwartung etwas, das hinzukommt bzw. das wir brauchen (z. B. Bindung, Kontrolle, Lustgewinn, Wichtigkeit usw.). Eine höhere Selbstwirksamkeit wird in der Regel mit einer höheren Bedürfnisbefriedigung einhergehen.
Andererseits führt Selbstwirksamkeit weg von einer Quelle des Unglücks, ja vielleicht sogar der größten. Nämlich der völligen Ohnmacht und Hilflosigkeit, wie sie eindrucksvoll von dem Psychologen Martin E. P. Seligman (*1942) in seinem Konzept der erlernten Hilflosigkeit beschrieben wird. Gemäß der Theorie der erlernten Hilflosigkeit folgen auf dauerhafte Hilflosigkeit und Ohnmacht oft depressive Zustände, die als Gegenteil des Glücks verstanden werden könnten (dazu mehr in späteren Artikeln). Die wahrgenommene Selbstwirksamkeit eines Menschen hingegen aktiviert und motiviert (Bandura, 1977, eigene Übersetzung: Je stärker die wahrgenommene Selbstwirksamkeit, desto aktiver die Bemühungen). Selbstwirksamkeit, könnte man sagen, ist eine Impfung gegen mit Unglückszuständen einhergehende Depressivität.
Fazit
Selbstwirksamkeit ist wichtig fürs Glück. Sie befriedigt unser natürliches psychisches Grundbedürfnis nach Kontrolle und Selbstbestimmung und stellt einen Gegenpol zu depressiv machender Hilflosigkeit und Ohnmacht dar. Entscheidend ist dabei nicht 100%-ige, sondern ausreichende, relevante Kontrolle über die Umstände, uns selbst, andere und die Welt. Kein Mensch ist immer kompetent, kein Mensch kann alles bewirken.
Wie kann man Selbstwirksamkeit steigern? Hierzu wird es zukünftig noch mindestens einen weiteren Artikel geben. An dieser Stelle jedoch schon ein paar Ideen und Tipps zur Steigerung der Selbstwirksamkeit:
- Traue dich regelmäßig etwas zu tun, das scheinbar jenseits der Grenzen deiner Kompetenzen liegt. (Oft liegt jenes nur jenseits der Grenzen deiner Komfortzone.) Es sollte herausfordernd, aber bewältigbar sein. Zum Beispiel ein Sprung vom 5-Meter-Turm im Schwimmbad, ein unangenehmes, lange ausgeschobenes Gespräch mit jemandem suchen, usw. Selbstwirksamkeitserwartung lässt sich ohne Handeln nicht nachhaltig steigern.
- Vergegenwärtige dir Erfolgserlebnisse aus der Vergangenheit, die auf deine Kompetenzen und dein Handeln zurückzuführen waren. Mach dir bewusst, dass du es warst, der sie bewirkt hat. Das kann Mut machen, neue Herausforderungen anzugehen.
- Orientiere dich bei der Auswahl von Herausforderungen an dem, was dir wirklich wichtig ist. Berücksichtige deine Bedürfnisse. Es bringt wenig, neue Selbstwirksamkeitserfahrungen ausschließlich in Bereichen zu sammeln, die sowieso keine Relevanz für dein weiteres Leben spielen werden.
- Lass dich von anderen Menschen, die dir sehr selbstwirksam erscheinen, inspirieren. (Man spricht hierbei in der Forschung von „stellvertretenden Erfahrungen“.)
Quellen
- Bandura, A. (1977). Self-efficacy: toward a unifying theory of behavioral change. Psychological review, 84(2), 191-215.
- Bandura, A. (1982). Self-efficacy mechanism in human agency. American psychologist, 37(2), 122-147.
- Martens, J. U. (2014). Glück in Psychologie, Philosophie und im Alltag. Kohlhammer Verlag.
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* Ins Deutsche oft als Selbstwirksamkeitserwartung übersetzt, was auch noch einmal verdeutlicht, dass es hier nicht um die reale Kontrolle (Bewirken) geht, sondern um unsere Erwartung bzw. Überzeugung, etwas bewirken bzw. kontrollieren zu können.
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