Wann ist man im Leben am glücklichsten - wahrscheinlich in der Kindheit
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In diesem Artikel gehe ich der Frage nach, in welchem Alter Menschen am glücklichsten sind – in Kindheit, Jugend, im Jungerwachsenenalter, mittleren oder höheren Alter? Das Thema Glück in der Lebensspanne wurde von der Wissenschaft rege beforscht. Hier die wichtigsten Erkenntnisse im Überblick.

Beginnen wir mit einem Goethe-Zitat:

Denn jedes Jahrzehnt des Menschen hat sein eigenes Glück, seine eigenen Hoffnungen und Aussichten (aus: Die Wahlverwandtschaften, 1809)

Beim Passieren eines Kinderspielplatzes kommt mir häufig der Gedanke, dass sich dieses reine, ungefilterte Glück, das viele der spielenden Kinder zu verspüren scheinen, so im späteren Verlauf des Lebens wohl nie wieder einstellen wird. Unbeschwert von der Zukunft und Vergangenheit gehen sie einfach ihren Bedürfnissen nach, zum Beispiel nach Spiel, Spaß und Spontaneität … Mir ist freilich bewusst, dass diese Vorstellung (zumindest als Verallgemeinerung) eine Mär ist. Natürlich ist nicht jedes Kind – dauerhaft – unbeschwert und glücklich. Und natürlich unterscheidet sich das Wohlbefinden zwischen Menschen in verschiedenen Lebensaltern und -phasen.

Die Frage, wann bzw. in welchem Alter man am glücklichsten ist, wurde von der Glücksforschung intensiv beforscht. Auch wenn die Ergebnisse nicht auf den Einzelnen / die Einzelne zutreffen mögen, sind sie doch sehr interessant. Beginnen wir unseren Streifzug in der Kindheit …

Glück in der Kindheit

Sind Kinder glücklich(er)? Diese Frage ist zumindest bezüglich Säuglingen und Kleinkindern gar nicht so einfach zu beantworten. Das liegt daran, dass Glück bei Säuglingen und Kleinkindern zum einen aufgrund der kognitiven und speziell sprachlichen Entwicklung beobachtet statt selbstberichtet wird, und Glück zum anderen in frühen Jahren häufig mit positiven Emotionen (v. a. Freude) gleichgesetzt wird (hedonistisches Glücksverständnis). Studien, in denen überwiegend Eltern von Kindern im Vorschulalter befragt wurden, legen nahe, dass Kinder, die mehr prosoziales Verhalten zeigen und aktiver sind, von ihren Eltern als glücklicher eingeschätzt werden.

Eine belastbare quantifizierende Einschätzung des (Durchschnitt-)Glücks von Kindern scheint jedoch erst ab dem Grundschulalter möglich zu sein. Nämlich dann, wenn diese über ein ausreichendes emotionales Vokabular verfügen und hinreichend zur Introspektion (Innenschau) fähig sind.

Zwei österreichische Studien (Bucher, 2001; Bucher, 2008) fanden heraus, dass Kinder zwischen sechs und dreizehn Jahren überwiegend glücklich waren (Selbsteinschätzung durch Smileys), dies vor allem in den Ferien, mit Freunden und Haustieren, weniger jedoch in der Schule (diese hatte einen ähnlichen Zufriedenheitswert wie ein Zahnarztbesuch …). Zurückzuführen sei das Kindheitsglück vor allem auf Tätigkeitsvariablen wie z. B. eine aktive Freizeitgestaltung mit anderen. Dies sei gemäß dem Autor der Studien ein Beleg für eine Aktivitätstheorie des Glücks. Dieses Ergebnis deckt sich mit Studienergebnissen aus anderen Ländern.

Glück in der Jugend bzw. Pubertät

Die Jugend bzw. Pubertät stellt gemäß der Glücksforschung eine deutliche Zäsur für das Glück oder subjektive Wohlbefinden dar. Heißt: Jugendliche sind, zumindest im Durchschnitt, unglücklicher als Kinder. Dies konnte für verschiedene Länder gezeigt werden, wobei es einen Geschlechtseffekt zu geben scheint (Mädchen sind unglücklicher). Noch nicht endgültig geklärt sind die Ursachen dieses „Glücksschwunds“ im Vergleich zur Kindheit. Es könnte an der herausfordernden Anpassung an körperliche Veränderungen liegen bzw. allgemein an hormonellen Veränderungen, oder der Anpassung des Selbstbildes bzw. Identitätsentwicklung (inkl. Selbstwertkrisen), Ablösungsprozessen, bzw. ganz allgemein: an so genannten Entwicklungsaufgaben.

Glück im Erwachsenenalter

Bezüglich des Glücks im Erwachsenenalter gibt es in der Wissenschaft so manche Kontroverse. Steigt es, sinkt es oder bleibt es konstant? Man findet für alle Hypothesen Einzelstudien, die sie stützen. Vertreter der Theorie der hedonistischen Adapatation gehen von einer stetigen Anpassung des Menschen an die jeweiligen Lebensumstände aus. Das Glückslevel bleibt also, nach einer temporären Schwankung durch (Extrem-)Erlebnisse, im Wesentlichen stabil.

Intuitiv geben viele Menschen hingegen an, mit dem fortschreitenden Alter müsse das Glück ja zwingend sinken, da altersbedingte Veränderungen (Zunahme an Erkrankungen und anderen Einschränkungen usw.) uns verschiedener Glücksressourcen beraubten.

U-förmiger Zusammenhang?

Zumindest letztere Position scheint jedoch wenig empirische Evidenz zu besitzen. Stattdessen wird in der Wissenschaft überwiegend ein so genannter U-förmiger Zusammenhang von Glück und Alter angenommen.* Hiermit ist gemeint, dass das Glückslevel bzw. das subjektive Wohlbefinden im Jungerwachsenenalter zunächst vergleichsweise hoch ist, im Verlauf des Erwachsenenlebens (in der „Rush-Hour des Lebens“, wie es so schön heißt) jedoch stetig sinkt, um im fortgeschrittenen Alter wieder anzusteigen. Als Tiefpunkt wurden, je nach Studie, überwiegend die späten 40er und frühen 50er identifiziert. Im Anschluss hieran stieg das Glück wieder an, ab circa 70 Jahren, je nach Land, jedoch deutlich abflachend (Plateau).

Viele Forscher weisen trotz dieses interessanten Verlaufs jedoch darauf hin, dass der U-förmige Zusammenhang eher ein leichter denn ein starker ist. Zudem veränderten sich die Glücksvorstellungen der Menschen häufig im Verlauf des Lebens. Während jüngere Menschen häufiger ein hedonistisches Glücksverständnis aufweisen würden (sich vergnügen, möglichst viele positive Emotionen haben), vermieden ältere Menschen häufiger „negative“ Emotionen und hätten ein eher eudämonistisches Glücksverständnis, das Glücksempfinden z. B. aus sozialem Engagement und allgemein einer „friedlichen Verfassung“ bezöge.

Glück in der Lebensspanne, glückliche Großeltern mit Baby

Glück im Alter

Trotz konträrer Intuitionen mancher Menschen scheint das Alter eine gute Phase für das persönliche Glück zu sein. So kehrt das Glückslevel zumindest im Durchschnitt im Verlauf des Lebens nach einer Delle im mittleren Alter in höhere Regionen zurück, und dies trotz des Wegfalls gut untersuchter Glücksfaktoren wie etwa dem Nachgehen einer Arbeit (durch Pensionierung). Neben einer Anpassung der persönlichen Glücksvorstellungen werden von Wissenschaftlern u. a. die entlastende Aufgabe unerreichbarer Ziele (gewissermaßen Akzeptanz als Glücksfaktor) bzw. ein so genanntes Disengagement (Rückzug von Tätigkeiten, die nicht mehr glücklich machen), aber auch der Wegfall von Mühsal und Stress, neben vielen weiteren, diskutiert. Interessant ist in diesem Zusammenhang die so genannte Sozioemotionale Selektivitätstheorie, wonach es älteren Menschen leichter falle, sich aus belastenden Situationen zurückzuziehen und gelassener zu bleiben.

Fazit

Das Glücksempfinden variiert im Laufe des Lebens. Das scheint ganz natürlich zu sein und könnte sowohl mit sich verändernden Umständen (z. B. Familiengründung, hormonelle Veränderungen, usw.) als auch mit inneren/psychischen Faktoren (sich wandelnde Glücksvorstellungen und Ziele usw.) zusammenhängen. Es ist schwer, zu pauschalisieren. Die Ergebnisse der Glücksforschung deuten allerdings darauf hin, dass es Peaks (Gipfel) des Glücksempfindens in Kindheit, (post-pubertärem) Jungerwachsenenalter sowie im Rentenalter gibt. Allgemein scheinen die Schwankungen im Verlaufe des Lebens, vielleicht mit Ausnahme der Pubertät, jedoch eher gering auszufallen.

Ziemlich sicher liegen die Gründe für unterschiedliche Glückslevel im Verlauf des Lebens jedoch nicht am Alter selbst, sondern an hiermit einhergehenden typischen Umständen und unserem eigenen Denken (Einstellungen usw.) und Tun. Nicht umsonst spricht man etwa von aktivem Altern.

Und was würdest du sagen: Wann ist man am glücklichsten im Leben? In welchem Alter, in welcher Lebensphase?

* Nicht ganz eindeutig ist der Übergang von der Jugend (als, wie gesehen, eine Glückszäsur nach der Kindheit) zum Jungerwachsenenalter. Viele Forscher, die die U-Form-Theorie vertreten, erforschten nur Erwachsene bzw. Jungerwachsene. Konsens scheint zu sein, dass das Glücksempfinden in der späten Jugend und im Jungerwachsenenalter wieder auf neue Höhen steigt, möglicherweise durch neu hinzugewonnene Freiheiten und Möglichkeiten wie Berufswahl, Selbstverwirklichung usw. Dieser „Rebound“ nach der Jugend scheint in den vergangenen Jahren jedoch abzunehmen, wie sich u. a. hier (und in einem Tagesthemen-Artikel zusammengefasst) nachlesen lässt. Hierfür könnte eine Zunahme an Ängstlichkeit, Zukunftssorgen und Belastungen unter Jugendlichen in der letzten Dekade verantwortlich sein. Aber auch die Rolle von Social Media (ständige soziale Vergleiche mit anderen) wird diskutiert. Ob es sich um einen dauerhaften Effekt handelt, ist unklar.

Zum Weiterlesen

Anton Bucher: Psychologie des Glücks (2. Auflage, 2018), Beltz.

Ausgewählte Studien und Vertiefendes

Blanchflower, D. G. (2021). Is happiness U-shaped everywhere? Age and subjective well-being in 145 countries. Journal of population economics, 34(2), 575-624.

Blanchflower, D. G., & Oswald, A. J. (2008). Is well-being U-shaped over the life cycle? Social science & medicine, 66(8), 1733-1749.

Blanchflower, D. G., & Oswald, A. J. (2009). The U-shape without controls: A response to Glenn. Social Science & Medicine, 69(4), 486-488.

Bucher, A. A. (2001). Was Kinder glücklich macht: historische, psychologische und empirische Annäherungen an Kindheitsglück. Juventa-Verlag.

Bucher, A. A. (2009). Wie glücklich sind Deutschlands Kinder? Eine glückspsychologische Studie im Auftrag des ZDF. Diskurs Kindheits- und Jugendforschung. Journal of Childhood and Adolescence Research, 4(2), 241-260.

Charles, S. T., & Carstensen, L. L. (2008). Unpleasant situations elicit different emotional responses in younger and older adults. Psychology and aging, 23(3), 495ff.

Diener, E. (1984). Subjective well-being. Psychological bulletin, 95(3), 542ff.

Glenn, N. (2009). Is the apparent U-shape of well-being over the life course a result of inappropriate use of control variables? A commentary on Blanchflower and Oswald (66: 8, 2008, 1733–1749). Social Science & Medicine, 69(4), 481-485.

Helliwell, J. F. (2003). How’s life? Combining individual and national variables to explain subjective well-being. Economic modelling, 20(2), 331-360.

Kassenboehmer, S. C., & Haisken-DeNew, J. P. (2012). Heresy or enlightenment? The well-being age U-shape effect is flat. Economics Letters, 117(1), 235-238.

Seiffge-Krenke, I., & Gelhaar, T. (2008). Does successful attainment of developmental tasks lead to happiness and success in later developmental tasks? A test of Havighurst’s (1948) theses. Journal of adolescence, 31(1), 33-52.

Fotos: Pixabay

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  • André Martens, Glücksquellen

    André Martens ist studierter Philosoph und Psychologe mit mehrjähriger Erfahrung im Bereich der klinischen Psychologie. Er ist der Gründer des Blogs gluecksquellen.de. Seit vielen Jahren beschäftigt er sich privat und professionell mit dem Thema Glück.

Ein Gedanke zu „In welchem Alter ist man am glücklichsten?“
  1. Wenn Herr von Gutenberg in den bunten Blättern glücklich lächelnd seine neue Liebe vorstellt, ist es unfähr uns gegenüber die genau solche Momente durchleben, aber es wird nirgendwo gezeigt. Ich sage, jeder Mensch hat mehrere solcher Titelblätter verdient. Denn wir haben viele große Glücksmomente im LEBEN.

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