Psychische Grundbedürfnisse: Was darunter zu verstehen ist und welche es gibt. Das folgende Glossar beschreibt und erläutert mit zahlreichen Beispielen verschiedene psychische Grundbedürfnisse. Die Auflistung orientiert sich an den psychologischen Theorien von Klaus Grawe, Rainer Sachse und Jeffrey Young. Am Ende werden weiterführende Artikel empfohlen.
Inhalt
Bedürfnis vs. Wunsch
Bevor wir zum Thema psychische Grundbedürfnisse kommen eine These:
Jeder Mensch hat Bedürfnisse.
Manchmal ist es auf den ersten Blick jedoch gar nicht leicht, ein Bedürfnis von einem Wunsch zu unterscheiden. Gemeint ist aber beileibe nicht dasselbe. Denn wünschen kann man sich ja vieles, je nach Lust und Laune, je nach Prägung und Beeinflussung von außen (etwa Werbung). Für das Glück hingegen ist viel wichtiger, wie ich in einem anderen Artikel argumentiere, welche Bedürfnisse ich habe – und wie ich sie befriedigen kann.
Bedürfnis: Was brauche ich wirklich?
In erster Näherung kommt man Bedürfnissen auf die Spur, wenn man sich fragt, was man wirklich braucht (und nicht bloß glaubt zu brauchen oder was „nice-to-have“ wäre). Einige Menschen wünschen sich einen „fetten Sportwagen“, andere einen Lottogewinn oder eine Gehaltserhöhung. Alles sicherlich legitime Wünsche – aber Bedürfnisse in einem engeren Sinne? Wohl eher nicht.
Psychische Grundbedürfnisse: universell und „eingefleischt“
In der Psychologie beschäftigt man sich häufig mit so genannten psychischen Grundbedürfnissen, welche sich z. B. von physiologischen Grundbedürfnissen (Luft zum Atmen haben, genug zu trinken und zu essen haben usw.) unterscheiden. Die Idee ist, vereinfacht gesprochen, dass es Bedürfnisse gibt, deren Befriedigung so grundlegend und wichtig für uns Menschen ist, dass sie universell, in jeder Kultur, in jeder Epoche, eine Rolle spielen. Sie sind uns gewissermaßen „eingefleischt“. Wir suchen sie uns nicht aus, sie sind bereits in uns angelegt, wenn wir das Licht der Welt erblicken. Auch wenn vielleicht in verschiedenen Lebensphasen unterschiedliche Grundbedürfnisse im Vordergrund stehen. Meine These hier lautet, dass sie uns evolutionär „eingepflanzt“ wurden.
Welche psychischen Grundbedürfnisse gibt es? (mit Beispielen)
Anerkennung
Anerkennung ist gemäß Rainer Sachse, Janine Breil und Jana Fasbender „das Motiv, von anderen positives Feedback über die eigene Person oder über persönlich relevante Eigenschaften zu erhalten, also Botschaften zu hören wie: Du bist ok. (…) Du bist liebenswert. (…) Du bist attraktiv.“ Diese Beschreibung fokussiert die zwischenmenschliche Dimension der Anerkennung, es ist meines Erachtens jedoch durchaus denkbar, Anerkennung nicht nur als „Anerkennung von außen“ (von anderen Menschen) zu verstehen. Auch wenn in neuerer Zeit oftmals von einer „Sucht nach Anerkennung“ gesprochen wird und Anerkennung schnell undifferenziert in die Ecke des Narzissmus gerückt wird, erachte ich Anerkennung als ein grundlegendes menschliches Bedürfnis, an dem per se nichts, aber auch rein gar nichts pathologisch ist. Wir alle brauchen Anerkennung, in allen Lebensphasen. Nur wenn das Bedürfnis im wahrsten Sinne des Wortes maßlos wird, wird es problematisch.
Verwandte Grundbedürfnisse: Wertschätzung, Selbstwertschutz und Selbstwerthöhung.
Autonomie
Autonomie bezeichnet nach Rainer Sachse das Motiv, eigene Entscheidungen zu treffen und selbst über das eigene Leben zu bestimmen. Also eigene Antworten auf Fragen wie die folgenden zu haben (oder erst noch zu entwickeln): Was will ich tun? Was will ich erreichen? Wohin will ich? Und entsprechend handeln zu dürfen (auch wenn sich vielleicht nicht jede Entscheidung als klug erweist und nicht jedes Ziel erreicht wird)! Zum Bedürfnis nach Anerkennung gehört natürlich auch, dass andere Menschen meine Autonomie anerkennen und nicht versuchen, sie zu unterbinden oder einzuschränken. Autonomie ist neben dem Bedürfnis nach Bindung vielleicht das am besten erforschte psychische Grundbedürfnis und meines Erachtens mit diesem zusammen auch das zentralste. Kein (ganz) glückliches Leben ohne geglückte Bindungserfahrungen, die das Bindungsbedürfnis befriedigen) und zugleich eine hinreichende Befriedigung des Bedürfnisses nach Autonomie.
Verwandte psychische Grundbedürfnisse: Selbstbestimmung, Freiheit, Freiheit des Gefühls- und Bedürfnisausdrucks, Unabhängigkeit, Selbstwirksamkeit.
Bindung: Das wohl zentralste psychische Grundbedürfnis
Das wohl zentralste menschliche psychische Grundbedürfnis, dessen massive Frustration in Kindheit und Jugend im Erwachsenalter leider zu psychischen Erkrankungen und einem reduzierten Glücksempfinden führen kann. Bindung bezeichnet das Bedürfnis nach einer tiefen, im weiteren Sinne emotionalen Verbindung zu relevanten, für mich bedeutsamen anderen Menschen. Die frühe und dauerhafte Frustration dieses Bedürfnisses kann z. B. ein starkes Misstrauen, Einsamkeitserleben und Ausgrenzungsgefühl begünstigen. Es wird vermutet, dass Babys ohne ein Minimalmaß an positver Bindungserfahrung nicht überleben würden. Bindung ist mit zahlreichen anderen Bedürfnissen verwandt und stellt für mich eine Art Oberbegriff für viele davon dar.
Verwandte psychische Grundbedürfnisse: Verbundenheit, Geborgenheit, Zugehörigkeit, Liebe, Sicherheit (stabile Basis), Teilhabe an kollektiven Zielen, Anerkennung, Wertschätzung.
Freiheit im Ausdruck von Bedürfnissen und Emotionen
Jeder Mensch hat grundlegend das Bedürfnis, seine eigenen Bedürfnisse und Emotionen auszudrücken, also die Freiheit zu haben, sich mitzuteilen. Man denke in diesem Zusammenhang an ein aufgrund von Hunger schreiendes Baby oder ein aufgrund von Überforderung oder Angst weinendes Kind. Leider können viele Faktoren zur Frustration dieses Grundbedürfnisses beitragen, so beispielsweise eine Unterdrückung des Bedürfnis- und Emotionsausdrucks aufgrund strenger elterlicher Regeln („Ein Indianer kennt keinen Schmerz“ usw.) oder von wichtigen Bezugspersonen vorgelebten entwertenden Einstellungen gegenüber Emotionen und Bedürfnissen (z. B. „Gefühle sind Ausdruck von Schwäche“). Häufig orientieren sich Menschen, die ihre eigene Bedürfnis- und Gefühlswelt nur unzureichend ausdrücken konnten bzw. können stark an denen anderer Menschen (sog. Fremdbezogenheit).
Verwandte psychische Grundbedürfnisse: Spontaneität, Spiel & Spaß, Wichtigkeit, Anerkennung, Lustgewinn u. a.
Geborgenheit
Das Bedürfnis nach Geborgenheit ähnelt stark dem Bindungsbedürfnis und verknüpft nach meinem Verständnis gewissermaßen das Bedürfnis nach einer sicheren, verlässlichen Basis mit einem positiven Gefühlszustand. Wer sich geborgen fühlt, fühlt sich nicht nur sicher gebunden, sondern auch wohl. Ich persönlich assoziiere Wärme, Wohligkeit und positive Näheerfahrung mit diesem Begriff und kann voll und ganz verstehen, dass Geborgenheit im Jahr 2004 zum zweitschönsten Wort der deutschen Sprache gewählt wurde.
VVerwandte psychische Grundbedürfnisse: Bindung, Verbundenheit, Vertrauen, Zugehörigkeit, Sicherheit, Loyalität.
Kontrolle
Das Bedürfnis nach Kontrolle bezeichnet verkürzt gesagt das Bedürfnis nach (potenziell erfolgreicher) Einflussnahme auf den „Lauf der Dinge“. Es ist insofern sehr eng mit dem Konzept der Selbstwirksamkeit verwandt. Wer über eine (angemessene) Kontrolle verfügt, der/die wird seine/ihre individuellen Ziele mit einer höheren Wahrscheinlichkeit erreichen. Wer im Kontrollbedürfnis massiv frustriert wurde (etwa im Zuge einer Traumatisierung und/oder durch „erlernte Hilflosigkeit“), wird sich in der Regel ängstlicher und hilfloser/ohnmächtiger als andere fühlen. Nach Klaus Grawe hängt das Bedürfnis nach Kontrolle eng mit dem nach Orientierung zusammen und stellt ein zentrales psychisches Grundbedürfnis eines jeden Menschen dar.
Verwandte psychische Grundbedürfnisse: Orientierung, Selbstwirksamkeit, Autonomie, Selbstbestimmung.
Lustgewinn
Lustgewinn bezeichnet das Bedürfnis nach dem ausreichend häufigen Erleben positiv empfundener innerer Zustände (Lust), die durch äußere (z. B. leckeres Essen, positive Sozialkontakte, Sex), aber auch „innere Dinge“ (z. B. schöne Erinnerungen, sexuelle Phantasien) ausgelöst werden können. Menschen neigen gemäß der Lernpsychologie dazu, Verhaltensweisen, welche zu Lustgewinn führen, mit höherer Wahrscheinlichkeit in der Zukunft zu wiederholen (vgl. die Theorie der so genannten „operanten Konditionierung“). Das Bedürfnis nach Lustgewinn hängt sehr eng mit dem nach Unlustvermeidung zusammen.
Verwandte psychische Grundbedürfnisse: Unlustvermeidung, Spiel & Spaß, Spontaneität, freier Gefühls- und Bedürfnisausdruck, Liebe.
Orientierung
Das Bedürfnis nach Orientierung bezeichnet das bereits früh im Leben eine zentrale Rolle spielende Bedürfnis, den „Lauf der Dinge“ (ausreichend gut) zu verstehen. Man könnte folglich auch von Verstehbarkeit sprechen. Wer orientierungslos ist, fühlt sich in der Regel überfordert, bisweilen auch ängstlich, hilflos und verloren. Orientierung gibt Sicherheit, erleichtert effektives, erfolgreiches Handeln und das Streben nach unseren Zielen. Als Kind benötigten wir alle Orientierung von außen, zum Beispiel durch Eltern, Geschwister, Lehrer usw. Als Erwachsene sind wir in der Lage, uns auch selbst Orientierung zu geben. Nach Klaus Grawe hängen die Bedürfnisse nach Orientierung und Kontrolle eng miteinander zusammen.
Verwandte psychische Grundbedürfnisse: Kontrolle, Sicherheit, Selbstwirksamkeit, Verstehbarkeit.
Realistische Grenzen
Realistische Grenzen bezeichnet ein in der Psychologie meiner Meinung nach sehr stiefmütterlich behandeltes Bedürfnis von enormer Bedeutung. Gemeint ist mit realistische Grenzen das Bedürfnis, Regeln gesetzt zu bekommen und begrenzt zu werden (bzw. dies kompetent selbst tun zu können). Es spielt insbesondere für Kinder eine große Rolle. Denn ohne Begrenzung kein gelingendes Miteinander in einer Gemeinschaft. Wenn sich der 6-jährige schreiend und heulend im Supermarkt auf den Boden wirft, weil er einen Lolli nicht bekommt, braucht er (oft) Begrenzung. Wenn er diese nicht erhält, kann es sein, dass er als Erwachsener mit einer VIP-Attitüde durchs Leben läuft und jedesmal gekränkt reagiert, wenn ihm andere seine vermeintlich legitimen Wünsche verwehren. Wer in diesem Bedürfnis stark frustriert worden ist, verhält sich also oft maßlos und hat Schwierigkeiten, mit Schwierigkeiten, Fehlern, Kritik, Niederlagen und anderen Enttäuschungen des Lebens umzugehen.
Verwandte psychische Grundbedürfnisse: Orientierung, Frustrationstoleranz (vielleicht eher eine Fähigkeit als ein Bedürfnis).
Selbstwerterhöhung und -schutz
Nach Klaus Grawe ist hiermit das Bedürfnis eines jeden Menschen gemeint, sich selbst positiv zu definieren (als gut und richtig), also quasi nach einem positiven Selbstwerterleben, und nach entsprechenden Rückmeldungen bzw. Spiegelungen von außen durch relevante andere Personen. Ausdrücklich nicht gemeint ist eine pathologische Selbstüberhöhung bzw. Grandiosität, wie sie bei narzisstischen Persönlichkeiten auftreten kann. Eine Frustration dieses Bedürfnisses führt meist zu einem Schamgefühl und niedrigen Selbstwerterleben (alltagssprachlich: Minderwertigkeitserleben).
Verwandte psychische Grundbedürfnisse: Anerkennung, Wertschätzung, Wichtigkeit.
Sicherheit
Sicherheit bezeichnet das Bedürfnis nach einem Zustand, in dem man sich physisch und psychisch sicher fühlt. In einem engeren Sinne bezeichnet Sicherheit das Gefühl, sich auf relevante andere Menschen verlassen zu können bzw. dass diese uns zuverlässig erscheinen. Bei Kindern spricht man entwicklungspsychologisch oft auch von einer „sicheren Basis“, von der aus sich das Kind entfalten und auf Entdeckungsreise begeben kann.
Verwandte psychische Grundbedürfnisse: Zuverlässigkeit, Verlässlichkeit.
Spiel & Spaß
Hiermit ist das grundlegende Bedürfnis aller Menschen gemeint, beizeiten zu spielen und Spaß zu haben, gleich ob alleine oder gemeinsam mit anderen. Wird dieses Bedürfnis meist in der Kindheit noch ausreichend befriedigt, fristet es in unserer Leistungsgesellschaft im Erwachsenenleben leider häufig ein echtes Schattendasein. Dabei sind Spiel und Spaß essentiell für unser Glückserleben und auch psychische Gesundheit.
Verwandte psychische Grundbedürfnisse: Spontaneität, Kreativität, freier Gefühls- und Bedürfnisausdruck, Lustgewinn, Unlustvermeidung, Stimulation.
Unlustvermeidung
Unlustvermeidung bezeichnet das Bedürfnis, so genannte aversive Zustände wie Schmerzen, Verletzungen, übermäßige unangenehme Gefühle und Anspannungszustände usw. zu vermeiden, als quasi nicht erleben und spüren zu müssen. Auch wenn eine sehr starke Unlustvermeidung pathologisch sein kann (vgl. die so genannte Frustrations(in)toleranz), wird mit dem Bedürfnis nach Unlustvermeidung per se ein grundlegendes, ganz normales, universelles Bedürfnis bezeichnet, welches eng mit jenem nach Lustgewinn zusammenhängt.
Verwandte psychische Grundbedürfnisse: Lustgewinn, Spiel & Spaß, Spontaneität, freier Gefühls- und Bedürfnisausdruck, Liebe.
Verbundenheit
Das Bedürfnis nach Verbundenheit ist eng mit dem Bedürfnis nach Bindung verwandt. Gemeint ist das Bedürfnis, sich einer anderen Person oder auch mehreren Menschen (Gruppen) verbunden zu fühlen, also sehr vereinfacht gesagt: eine positive Verbindung zu haben. Dies setzt einen gewissen Grad an Wechselseitigkeit bzw. Gegenseitigkeit voraus und geht zumeist mit dem Erleben einer gewissen emotionalen Nähe einher. Man kann sich beispielsweise einem Team, einer Kultur oder Subkultur, einer Familie usw. verbunden fühlen. Wer sich miteinander verbunden fühlt, gehört (in relevanter Hinsicht) zusammen.
Verwandte psychische Grundbedürfnisse: Bindung, Geborgenheit, Zugehörigkeit, Liebe, Sicherheit (stabile Basis), Teilhabe an kollektiven Zielen.
Wichtigkeit
Wichtigkeit bezeichnet gemäß Sachse, Breil und Fasbender das „Motiv, von anderen die Information zu erhalten, dass man für die andere Person wichtig ist, dass man für andere eine Bedeutung hat, dass man im Leben einer anderen Person eine Rolle spielt.“ Sprich: Beim Wichtigkeitsmotiv haben wir das Bedürfnis, dass andere (für uns relevante) Menschen uns als Bereicherung empfinden, gerne Zeit mit uns verbringen, z. B. gemeinsam etwas unternehmen, uns Aufmerksamkeit schenken und zuhören, und unsere Bedürfnisse und Wünsche bei Entscheidungen berücksichtigen bzw. überhaupt „sehen“. Dabei ist Wichtigkeit immer relational. Das heißt: Es geht bei der Wichtigkeit um den „Wert“, den man für andere hat (pointiert: Fremdwert statt Selbstwert). Ich denke allerdings, dass eine chronische Frustration dieses Bedürfnisses immer auch Auswirkungen auf unser Selbstwerterleben haben wird.
Verwandte psychische Grundbedürfnisse: Anerkennung, Respekt, Selbstwerterhöhung und -schutz.
Zugehörigkeit
Zugehörigkeit bezeichnet das Bedürfnis, zu einer Gemeinschaft bzw. Gruppe dazuzugehören oder genauer gesagt: sich zugehörig zu fühlen (Zugehörigkeitsgefühl). Das kann eine Familie ebenso wie ein Verein, eine Kulturgemeinschaft oder Nation sein. Man könnte auch sagen: Kein Mensch ist eine Insel.
Verwandte psychische Grundbedürfnisse: Verbundenheit, Gemeinschaftsgefühl, Bindung, Teilhabe an kollektiven Zielen, Geborgenheit.
Gewiss, bei einigen der behandelten Grundbedürfnisse ließe sich vortrefflich streiten, ob es sich wirklich um Grundbedürfnisse oder überhaupt Bedürfnisse handelt. Die hier (ausdrücklich unvollständige und leidlich sortierte) Liste orientiert sich u. a. an den Arbeiten von Klaus Grawe (Konsistenztheorie), Jeffrey Young (Schematherapie), Rainer Sachse (Klärungsorientierte Psychotherapie) und Marie Jahoda (Sozialpsychologin), weniger jedoch an der bekannten Bedürfnispyramide (oder: Bedürfnishierarchie) des US-amerikanischen Psychologen Abraham Maslow, da mir diese manchmal nicht ganz trennscharf erscheint.
Ein Beispiel
Mein These ist, dass nicht alle psychischen Grundbedürfnisse bei jedem Menschen und zu jedem Zeitpunkt dieselbe Bedeutung haben. Bedeutsam werden sie vor allem dann, wenn sie – massiv und längerfristig – frustriert werden. Ein Beispiel: Eine Frau mittleren Alters, alleinstehend, hat hohe Schulden und einen schlecht bezahlten Job. Um ihre Wohnung nicht zu verlieren, nimmt sie noch einen Nebenjob an, sodass sie (spät)abends kaum noch Kraft hat, etwas für sich selbst zu tun, geschweige denn Freunde zu treffen oder einen Partner zu finden.
Frustrierte Grundbedürfnisse begünstigen psychische Dysbalancen.
Frustriert werden hier wahrscheinlich zunehmend die Bedürfnisse nach Bindung, Spiel & Spaß, Lustgewinn und Sicherheit, neben weiteren. Zugegeben, ein sehr vereinfachtes Beispiel, welches jedoch wohl intuitiv veranschaulicht, warum die Frustration grundlegender Bedürfnisse psychische Dysbalancen begünstigt (wenn auch nicht notwendigerweise auslöst) und sich wohl auch auf das Glücksempfinden dieser Person auswirken wird, wenn diese nicht auf andere Weise (enormen) „inneren Ausgleich“ und Kompensation erhält, z. B. besonders viel Anerkennung und Wertschätzung auf der Arbeit erfährt, ihr Bindungsbedürfnis durch gute, tiefe Arbeitskontakte befriedigt usw.
Wie soll man glücklich sein, wenn grundlegende Bedürfnisse dauerhaft nicht befriedigt, sondern frustriert werden?
In Richtung einer Theorie menschlicher psychischer Grundbedürfnisse
Es ist darauf hinzuweisen, dass es meines Wissens gegenwärtig keine allgemein anerkannte Definition oder Theorie menschlicher (psychischer) Grundbedürfnisse gibt, ebensowenig wie eine vollständige Auflistung eben jener. Da meiner Meinung nach Grundbedürfnisbefriedigung eine wichtige, ja zentrale Rolle, sowohl für die psychische Gesundheit als auch das menschliche Glück spielen, möchte ich in einer Reihe ergänzender Artikel die Frage behandeln, wie einzelne psychische Grundbedürfnisse, wie z. B. das nach Anerkennung oder Autonomie, mit dem Thema Glück und unserem Glücksempfinden zusammenhängen. Und wie wir aus dieser noch recht theoretischen Betrachtung konkrete Glücksstrategien ableiten und evaluieren können. So gilt beispielweise die Erfahrung sozialer Unterstützung und das Verfügen über ein stabiles, hinreichend großes soziales Netz als wichtig für das Glück(serleben) eines Menschen – eine Theorie des Zusammenhangs von Glück und psychischen Grundbedürfnissen, so meine Hoffnung, könnte diese empirisch gut belegte These noch weiter plausibilisieren.
Meine eigene Theorie des Glücks und den Zusammenhang von Glück und psychischen Grundbedürfnissen erläutere ich hier: Glück: (M)eine Definition des Begriffs. Weiterführend sind auch folgende Artikel: Bedürfnisse bei Jeffrey Young und Glücksaktivitäten für ein nachhaltiges Glück.
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