Glückliches Paar im Feld, Bedürfnisse befriedigt

Dieser Artikel gibt eine Übersicht über verschiedene psychische Grundbedürfnisse, die in der wissenschaftlichen Literatur häufig genannt werden. Außerdem arbeite ich heraus, warum diese psychischen Grundbedürfnisse wahrscheinlich eine wichtige Rolle für das menschliche Glück spielen.

Bedürfnis vs. Wunsch

Bevor wir zum Thema psychische Grundbedürfnisse kommen eine These:

Jeder Mensch hat Bedürfnisse.

Manchmal ist es auf den ersten Blick jedoch gar nicht leicht, ein Bedürfnis von einem Wunsch zu unterscheiden. Gemeint ist aber beileibe nicht dasselbe. Denn wünschen kann man sich ja vieles, je nach Lust und Laune, je nach Prägung und Beeinflussung von außen (etwa Werbung). Für das Glück hingegen ist viel wichtiger, wie ich in einem anderen Artikel argumentiere, welche Bedürfnisse ich habe – und wie ich sie befriedigen kann.

Bedürfnis: Was brauche ich wirklich?

In erster Näherung kommt man Bedürfnissen auf die Spur, wenn man sich fragt, was man wirklich braucht (und nicht bloß glaubt zu brauchen oder was „nice-to-have“ wäre). Einige Menschen wünschen sich einen „fetten Sportwagen“, andere einen Lottogewinn oder eine Gehaltserhöhung. Alles sicherlich legitime Wünsche – aber Bedürfnisse in einem engeren Sinne? Wohl eher nicht.

Psychische Grundbedürfnisse: universell und „eingefleischt“

In der Psychologie beschäftigt man sich häufig mit so genannten psychischen Grundbedürfnissen, welche sich z. B. von physiologischen Grundbedürfnissen (Luft zum Atmen haben, genug zu trinken und zu essen haben usw.) unterscheiden. Die Idee ist, vereinfacht gesprochen, dass es Bedürfnisse gibt, deren Befriedigung so grundlegend und wichtig für uns Menschen ist, dass sie universell, in jeder Kultur, in jeder Epoche, eine Rolle spielen. Sie sind uns gewissermaßen „eingefleischt“. Wir suchen sie uns nicht aus, sie sind bereits in uns angelegt, wenn wir das Licht der Welt erblicken. Auch wenn vielleicht in verschiedenen Lebensphasen unterschiedliche Grundbedürfnisse im Vordergrund stehen. Meine These hier lautet, dass sie uns evolutionär „eingepflanzt“ wurden.

Eine Liste psychischer Grundbedürfnisse

Im folgenden liste ich einige psychische Grundbedürfnisse auf, die in der wissenschaftlichen und außerwissenschaftlichen Literatur häufig genannt werden und unterschiedlich gut erforscht sind:

Gewiss, bei einigen ließe sich vortrefflich streiten, ob es sich wirklich um Grundbedürfnisse oder überhaupt Bedürfnisse handelt. Die hier (ausdrücklich unvollständige und leidlich sortierte) Liste orientiert sich u. a. an den Arbeiten von Klaus Grawe (Konsistenztheorie), Jeffrey Young (Schematherapie), Rainer Sachse (Klärungsorientierte Psychotherapie) und Marie Jahoda (Sozialpsychologin), weniger jedoch an der bekannten Bedürfnispyramide (oder: Bedürfnishierarchie) des US-amerikanischen Psychologen Abraham Maslow, da mir diese manchmal nicht ganz trennscharf erscheint. Doch dazu mehr in einem späteren Artikel.

Ein Beispiel

Mein These ist, dass nicht alle psychischen Grundbedürfnisse bei jedem Menschen und zu jedem Zeitpunkt dieselbe Bedeutung haben. Bedeutsam werden sie vor allem dann, wenn sie – massiv und längerfristig – frustriert werden. Ein Beispiel: Eine Frau mittleren Alters, alleinstehend, hat hohe Schulden und einen schlecht bezahlten Job. Um ihre Wohnung nicht zu verlieren, nimmt sie noch einen Nebenjob an, sodass sie (spät)abends kaum noch Kraft hat, etwas für sich selbst zu tun, geschweige denn Freunde zu treffen oder einen Partner zu finden.

Frustrierte Grundbedürfnisse begünstigen psychische Dysbalancen.

Frustriert werden hier wahrscheinlich zunehmend die Bedürfnisse nach Bindung, Spiel & Spaß, Lustgewinn und Sicherheit, neben weiteren. Zugegeben, ein sehr vereinfachtes Beispiel, welches jedoch wohl intuitiv veranschaulicht, warum die Frustration grundlegender Bedürfnisse psychische Dysbalancen begünstigt (wenn auch nicht notwendigerweise auslöst) und sich wohl auch auf das Glücksempfinden dieser Person auswirken wird, wenn diese nicht auf andere Weise (enormen) „inneren Ausgleich“ und Kompensation erhält, z. B. besonders viel Anerkennung und Wertschätzung auf der Arbeit erfährt, ihr Bindungsbedürfnis durch gute, tiefe Arbeitskontakte befriedigt usw.

Wie soll man glücklich sein, wenn grundlegende Bedürfnisse dauerhaft nicht befriedigt, sondern frustriert werden?

In Richtung einer Theorie menschlicher psychischer Grundbedürfnisse

Es ist darauf hinzuweisen, dass es meines Wissens gegenwärtig keine allgemein anerkannte Definition oder Theorie menschlicher (psychischer) Grundbedürfnisse gibt, ebensowenig wie eine vollständige Auflistung eben jener. Da meiner Meinung nach Grundbedürfnisbefriedigung eine wichtige, ja zentrale Rolle, sowohl für die psychische Gesundheit als auch das menschliche Glück spielen, möchte ich in einer Reihe ergänzender Artikel die Frage behandeln, wie einzelne psychische Grundbedürfnisse, wie z. B. das nach Anerkennung oder Autonomie, mit dem Thema Glück und unserem Glücksempfinden zusammenhängen. Und wie wir aus dieser noch recht theoretischen Betrachtung konkrete Glücksstrategien ableiten und evaluieren können. So gilt beispielweise die Erfahrung sozialer Unterstützung und das Verfügen über ein stabiles, hinreichend großes soziales Netz als wichtig für das Glück(serleben) eines Menschen – eine Theorie des Zusammenhangs von Glück und psychischen Grundbedürfnissen, so meine Hoffnung, könnte diese empirisch gut belegte These noch weiter plausibilisieren.

Von André Martens

André Martens ist studierter Philosoph und Psychologe mit mehrjähriger Erfahrung im Bereich der klinischen Psychologie. Er ist der Gründer des Blogs gluecksquellen.de. Seit vielen Jahren beschäftigt er sich privat und professionell mit dem Thema Glück.

Ein Gedanke zu “Psychische Grundbedürfnisse: Welche gibt es?”

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