Glück und Zufriedenheit illustriert an urbanen Szenen
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Gibt es einen Unterschied zwischen „Glück“ und „Zufriedenheit“? Ich denke: ja!

Das Wichtigste in Kürze

  • Definition und Unterschiede: Glück und Zufriedenheit sind verwandte, aber sich voneinander unterscheidende Konzepte.
  • Fokus der Zufriedenheit: Zufriedenheit beschreibt eher einen inneren Frieden und Gleichgewichtszustand. Sie richtet sich oft auf konkrete Dinge oder Zustände im Leben (zufrieden sein mit etwas) und beinhaltet keine Hochgefühle, sondern eher Gelassenheit.
  • Anspruchsvolleres Glück: Glück wird hier als umfassenderes Konzept betrachtet. Es zeigt sich nicht nur in flüchtigen Momenten, sondern ähnelt einem komplexen inneren Balancezustand, bei dem möglicherweise universelle Voraussetzungen erfüllt sind. Meist wird es von positiven Gefühlen begleitet.

Glück und Zufriedenheit

Was ist Glück? Diese Frage stellen sich Menschen mindestens seit der Antike. Inzwischen füllen Bücher über das Glück ganze Bibliotheken. Neben der Liebe und dem Tod gibt es wohl kaum ein so bedeutsames, so „menschliches“ Thema. Eine Antwort ist gewiss nicht leicht und eine Definition Gegenstand anderer Artikel in diesem Blog.

Neben dem Begriff des Glücks gibt es jedoch auch den der Zufriedenheit. Was ist mit Zufriedenheit gemeint, wann ist man zufrieden – in Abgrenzung vom Glück und glücklich sein? Bestehen Unterschiede zwischen den beiden Begriffen?

Was ist Zufriedenheit?

Fangen wir mit der Zufriedenheit an. Im Begriff verbirgt sich etymologisch der „Frieden“ und eine Richtung („hin … zu“). Diese Form des Friedens richtet sich nicht auf ein Äußeres, zum Beispiel den Frieden zwischen Völkern, Staaten, Stämmen, Clans usw., sondern auf das Innere eines Menschen. Frieden in der Seele, wenn man so möchte. Die aufgewühlte Seele hat sich beruhigt, das innere Meer liegt still und ruhig da. Man ist ausgeglichen, nicht mehr „aus der Fassung“ oder beunruhigt. Es herrscht innere Balance.

Zufriedenheit kann sich im Moment, im Augenblick, zeigen, z. B. nach einer erfolgreich abgeschlossenen Arbeit bzw. sonstigen Leistung. Tatsächlich scheint in unserer Kultur zufrieden sein oft leistungsbezogen zu sein, wie ich weiter unten noch ausführe.

Man realisiert dann diesen im wahrsten Sinne beruhigten inneren Zustand („Ich bin zufrieden“), der eine Nähe zu positiven Gefühlszuständen wie etwa Freude hat und doch kein „echtes“ Gefühl ist.

Zufriedenheit kann sich aber auch auf das Leben richten: Ich bin zufrieden mit meinem Leben. Zeitpunkt dieser Bewertung ist stets die Gegenwart, auch wenn ein längerer Zeitraum gemeint ist, und eine subjektive Wertung zwingend notwendig.

Zufriedenheit richtet sich auf etwas

Zufriedenheit und das Zufriedensein als Zustandsbeschreibung haben aber noch eine weitere Dimension. Typischerweise richtet sich Zufriedenheit auf etwas. Ich bin zufrieden mit etwas. Mit mir, dir, uns, der Welt, dem Moment, meinem Leben, und so weiter. Gleiches gilt für die Unzufriedenheit.

Beispiele sind:

  • Ich bin zufrieden mit meinem Körper.
  • Ich bin unzufrieden mit der momentanen wirtschaftlichen Lage.
  • Ich bin zufrieden mit dem Ergebnis der Wahl.

Ich kann wie gesagt auch zufrieden mit einer Leistung sein. Und zwar auf zweierlei Weise: entweder gestuft, wie z. B. in Arbeitszeugnissen („stets zu unserer vollsten Zufriedenheit“). (1) Oder aber absolut bzw. ungestuft, wie etwa in der Formulierung „Ich bin zufrieden mit dem, was ich erreicht habe“.

Letzteres ist eine interessante Formulierung. Denn anders als z. B. die Bewertung als „gute Leistung“ – mit möglicherweise definierten Kriterien – wird hier mehr mein eigenes grundsätzliches Verhältnis, mein Empfinden gegenüber meiner Leistung beschrieben. Ich drücke damit im Wesentlichen aus, dass die Leistung gewissermaßen nichts Negatives „mit mir macht“, mich etwa aufwühlt, bedrückt usw., beziehungsweise, dass sie „ausreicht“. Ist und Soll liegen nahe beieinander.

Zufriedenheit bzw. das Empfinden von Zufriedenheit scheint dabei jedoch weniger einen Überschwang, oder bildlich gesprochen: einen „Ausschlag nach oben“, zu bezeichnen. Diese eher „gelassene“ Form einer inneren Balance unterscheidet die Zufriedenheit von Gefühlen wie Freude und Stolz, die eher etwas Hinzukommendes, „nach oben ausschlagend Positives“ sind.

Zufrieden sein und glücklich sein sind nicht synonym, es gibt Unterschiede

Sind Zufriedenheit und Glück synonym, also weitgehend bedeutungsgleich? Ich denke nicht, auch wenn es einige Glückstheorien gibt, welche das menschliche Glück an einen Zustand der Seelenruhe und inneren Balance heranrücken (so zum Beispiel die Stoa oder Epikur). Es gibt meines Erachtens Unterschiede.

Glück – jenseits einer Bedeutung als Zufallsglück – ist das Resultat oder die Begleiterscheinung einer bestimmten Lebensführung, selbst wenn diese nicht bewusst auf das Erreichen eines Glückszustands abzielt. Es ließe sich auch von einem Erfüllungsglück sprechen. Im Zustand des Glücks sind bestimmte Voraussetzungen gewissermaßen erfüllt – und zwar nicht rein zufällig durch glückliche Fügung und Zufall.

Ich fasse Glück also ausdrücklich nicht als einen reinen Gefühlszustand auf, was ich in dem Artikel Ist Glück ein Gefühl? begründe. Auch denke ich nicht, dass Glück immer nur etwas Flüchtiges ist, wie oft behauptet. (2) Vielleicht meint „Ich bin momentan gerade glücklich“ meist nichts anderes als „Ich freue mich gerade“.

Zufriedenheit ist ebenfalls an Voraussetzungen geknüpft (die ungestufte Zufriedenheit meines Erachtens vor allem an die Erfüllung oder Be-fried-igung grundlegender Bedürfnisse, vgl. engl. satisfaction, was auf eine Sättigung anspielt), fokussiert dabei aber vordergründig die Ebene des Empfindens (eines positiv-ausgeglichenen Zustands; eine Art Empfindungsglück).

Wer hingegen sagt, sie/er sei glücklich, deutet einen „Hintergrund“ an, einen komplexeren Zustand, wegen dem man gerade oder dauerhaft glücklich ist. (3) Etwa weil man ein gutes Leben gemäß seiner Werte und Natur lebt, Sinnhaftigkeit erlebt oder anderes. In einem anderen Artikel argumentiere ich dafür, dass Glück vor allem die hinreichende Befriedigung wesentlicher menschlicher Bedürfnisse voraussetzt.

Ähnlichkeit der Begriffe Glück und Zufriedenheit

Worin sich das Glücklichsein und das Zufriedensein aber ähneln, ist, dass bei beiden Phänomenen Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit sie „eintreten“ oder entstehen können.

Von diesen Voraussetzungen und Quellen handelt ja letztlich auch dieser Blog. Gegenüber der Zufriedenheit ist Glück meines Erachtens aber der anspruchsvollere, aufgeladenere Begriff.

Fazit: Glück und Zufriedenheit nicht synonym

Zusammenfasend lässt sich sagen, dass Glück und Zufriedenheit ganz sicher verwandte Begriffe sind, mit einer deutlichen Überlappung in der Alltagssprache. Zufriedenheit scheint jedoch einen stärkeren Fokus auf das Empfinden (oder Erleben) eines positiv-ausgeglichenen inneren Zustands zu legen (vielleicht mit Anklängen eines gewissen Subjektivismus), wohingegen das Glück als Zustand stärker das Erfülltsein bestimmter Voraussetzungen anklingen lässt (z. B. die Befriedigung wesentlicher Bedürfnisse), zumindest, wenn von einem Erfüllungsglück die Rede ist. Glück ist also objektiver als Zufriedenheit.

Ergänzende Blog-Artikel:

Anmerkungen

(1) In der deutschen Arbeitskultur spielt Zufriedenheit eine zentrale Rolle und wird häufig eng mit der Leistung und dem Verhalten von Mitarbeitenden verbunden. Diese Verbindung zeigt sich besonders deutlich in Arbeitszeugnissen, in denen die Zufriedenheit des Arbeitgebers oft codiert und indirekt formuliert ist. Eine gängige Praxis ist dabei die Verwendung von standardisierten Formulierungen, die auf das Leistungsniveau und das Verhalten des Mitarbeitenden hinweisen, ohne dass explizit inhaltliche Kritik an einzelnen Leistungen geäußert wird. So ist in Arbeitszeugnissen die so genannte „Zufriedenheitsformel“ ein Mittel, um die Bewertung der Arbeitsleistung und des Verhaltens nach außen hin kommunizierbar und rechtlich unbedenklich zu gestalten.

Ein Beispiel für diese Codierung ist die Formulierung „stets zu unserer vollsten Zufriedenheit“ oder auch „stets zu unserer außerordentlichen Zufriedenheit“. Diese Aussage steht für eine sehr gute Leistung (entspricht in etwa der Schulnote 1). Mit einer kleinen Abwandlung wie „stets zu unserer vollen Zufriedenheit“ wird das Urteil leicht abgeschwächt und entspricht einem guten Ergebnis (Schulnote 2). Weitere Abstufungen wie „zu unserer Zufriedenheit“ oder „im Wesentlichen zu unserer Zufriedenheit“ signalisieren befriedigende bzw. zufriedenstellende Leistungen (Schulnoten 3 und 4).

(2) Die Auffassung vom Glück als etwas Flüchtigem, das wohl auch stark vom Zufall geprägt wird, hat viele Anhänger. Beispiele finden sich etwa in folgenden (externen) Artikeln:

(3) Ein häufiger Einwand gegen diese Glücksauffassung lautet: Glück ist etwas rein Flüchtiges, Momentanes, Vorübergehendes (s. Anmerkung (2) oben). Beispiel: Ich bin gerade so, so glücklich, weil mein Schwarm (Crush) sich endlich für mich entschieden und mir seine Liebe gestanden hat. Ist es dann aber wirklich nur dieser eine Augenblick, der mich glücklich macht, oder aber der komplexere Zustand, dass er/sie sich nicht nur jetzt gerade, sondern längerfristig für mich entschieden hat? Angenommen, ich wäre allwissend und wüsste, dass er/sie sich in einer Woche wieder umentscheiden wird: Würde ich dann immer noch davon sprechen, dass ich gerade so, so glücklich bin? Wohl eher nicht, trotz vielleicht reichlich ausgeschütteter Hormone … Es ist kompliziert … Kommentare sind sehr willkommen.

Glück und Zufriedenheit in der Forschung

Das Verhältnis von Glück und Zufriedenheit wird natürlich nicht nur wie in diesem Artikel philosophisch-analytisch untersucht, sondern auch psychologisch (in der so genannten Glücksforschung). Die Ergebnisse empirischer Untersuchungen sind teils sehr widersprüchlich, was vielleicht auch an den jeweiligen Konzeptualisierungen und Operationalisierungen liegen mag. Interessante Perspektiven sind u. a.:

  • Dick, A. (2007). Durch Psychotherapie Freude, Vergnügen und Glück fördern. Therapieziel Wohlbefinden: Ressourcen aktivieren in der Psychotherapie, 43-54.
  • Haybron, D. (2007). Life satisfaction, ethical reflection, and the science of happiness. Journal of Happiness Studies, 8, 99-138. (Allerdings gewissermaßen als „philosophischer Blick von außen“)
  • Veenhoven, R. (2012). Cross-national differences in happiness: Cultural measurement bias or effect of culture?. International Journal of Wellbeing, 2(4). (externe PDF-Datei der Studie; findet hohe Korrelationen)

Ein v. a. im angelsächsischen Sprachraum angewandter „Trick“ ist, in der Forschung stattdessen einfach von subjektivem Wohlbefinden (subjective well-being) zu sprechen anstatt happiness und (life) satisfaction zu unterscheiden.

Fotos: Martens/KI

Externe Zitate Stand 11/2024

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  • André Martens, Glücksquellen

    André Martens ist studierter Philosoph und Psychologe mit mehrjähriger Erfahrung im Bereich der klinischen Psychologie. Er ist der Gründer des Blogs gluecksquellen.de. Seit vielen Jahren beschäftigt er sich privat und professionell mit dem Thema Glück.

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