Epiktet über Glück und Moral, Foto eines griechischen antiken Tempels, Ruinen

Was dachte der bekannte stoische Philosoph Epiktet über das Glück? Und wie führt man aus seiner Sicht ein gutes, glückliches Leben? Ein philosophischer Streifzug inklusive zahlreicher Epiktet-Zitate.

Wer war Epiktet?

Epiktet (ca. 50 bis 138 n. Chr.) war ein antiker Philosoph, der sich der philosophischen Richtung der Stoa zuordnen lässt. Über sein Leben ist relativ wenig bekannt. Prägend für sein Leben und möglicherweise auch für seine philosophischen Ansichten dürfte gewesen sein, dass er, als Sklave geboren, nach Rom gebracht wurde und dort offenbar lange Zeit diente. Später wurde er freigelassen und gründete eine eigene philosophische, durch andere Stoiker wie Musonius geprägte Schule.

Epiktet verfasste selbst keine Werke, seine Lehre wurde jedoch von einem seiner Schüler (Arrian) festgehalten und für die Nachwelt überliefert. Von Bedeutung für Epiktets Glückslehre ist hierbei u. a. das sehr populär gewordene und lesenswerte Handbüchlein (Encheiridion, auch: kleiner Dolch, Handwaffe).

Epiktet und das Glück bzw. gute Leben

Zentral für Epiktets stoische Lehre ist die Unterscheidung von Dingen, die in unserer Macht stehen, und solchen, die nicht in unserer Macht stehen, also solche, über die wir „keinerlei Verfügungsgewalt haben“ (Masek, 2023, S. 181) bzw. die wir nicht vollständig kontrollieren können. Zu letzteren gehören für Epiktet: unser Körper, Vermögen/Besitz, Ämter, Ansehen usw. (Vgl. Zitate (1.1)).

Was hingegen in unserer Macht steht, ist u. a. unsere Meinung (dogma, auch: Urteil) über die Dinge (pragmata; über uns selbst, andere Menschen und die Welt). Das wohl bekannteste Zitat Epiktets lautet denn auch: „Nicht die Dinge selbst, sondern die Meinungen über die Dinge beunruhigen die Menschen. (…) Wenn wir nun auf Hindernisse stoßen oder beunruhigt oder bekümmert sind, so wollen wir niemals einen andern anklagen, sondern uns selbst, das heißt: unsere eigenen Meinungen. (…)“ (5., meine Hervorhebung).

Typisch stoisch gedacht können uns Schicksalsschläge und widrige Umstände (Krisen, Katastrophen usw.) nicht an sich etwas anhaben (sie gehen uns im Wortsinne nicht an). Vielmehr erzeugen erst unsere Gedanken über die Dinge/Umstände unangenehme Gefühle, inneren Aufruhr und letztlich Unglück. Ein bekanntes Beispiel ist hierbei die Todesfurcht. Diese Furcht (Emotion) entsteht gemäß stoischer Lehre nicht durch den Tod als solchen oder das Faktum unserer Endlichkeit. Sie entsteht vielmehr aus unserer (kognitiven) Bewertung des Todes als furchtbar und schrecklich.

Eine besondere Bedeutung hat für Epiktet (wie auch für viele andere antike Philosophen) der Begriff der prohairesis, was sich in etwa mit Entscheidung übersetzen lässt. Gemeint ist die besondere Fähigkeit des Menschen, „die Vorstellungen des Verstandes kritisch zu prüfen und ein Urteil über den Wert der Dinge zu fällen“ (Masek, 2023, S. 181). Durch eine fortlaufende Selbstbeobachtung und -erziehung mit dem Ziel eines tugendhaften, vernunftgemäßen Lebens verhelfen wir uns zum Glück bzw. zur Eudämonie. Siehe hierzu auch den Abschnitt Dinge und Meinungen weiter unten.

Ziel ist ein naturgemäßes, gutes Leben – und das heißt im Kontext der Stoa: ein Leben gemäß der Vernunft und Tugend/Sittlichkeit. Hierzu zählen vor allem die so genannte Apathie (Leidenschaftslosigkeit) und Ataraxie (Unerschütterlichkeit der Seele, Seelenruhe).

Es verwundert vielleicht ein wenig, dass bei Epiktet Glück als Begriff (im Altgriechischen eudaimonia oder als verwandte Begriffe etwa makarios) nur sehr selten explizit auftaucht. Beim Lesen des Handbüchleins wird jedoch sofort deutlich, dass es Epiktet (typisch für die antike Ethik) auf die Beschreibung einer richtigen Lebensführung, die auf ein gutes, glückliches Leben abzielt, ankommt. Dabei ist, wie gesehen, der Fokus auf das gerichtet, was in unserer Macht liegt (vereinfacht gesprochen: unser Inneres), nicht jedoch auf äußere vergängliche und stets unsichere Dinge wie Reichtum oder körperliche Gesundheit.

Stark runtergebrochen: Der Glückliche im Sinne Epiktets strebt und giert nicht nach vergänglichen Gütern, sondern „arbeitet“ an dem, was er beeinflussen kann – und das liegt, unverfügbar für andere und das Schicksal, in seinem Inneren.

Epiktet & Glück: Zitate

Im Folgenden möchte ich einige besonders wichtige Gedanken Epiktets anhand von Originalzitaten vorstellen und kurz einordnen. Alle folgenden Zitate stammen aus Epiktets Handbüchlein (s. Quellen).

Was in unserer Macht steht und was nicht

Zentral für Epiktet ist, wie bereits gesehen, die Unterscheidung von Dingen, die in unserer Macht stehen (prinzipiell vollständig beeinflussbar sind), und solchen, auf die dies – wie uns die Erfahrung lehrt – nicht zutrifft. So schreibt er gleich zu Beginn seines Handbüchleins:

„Einige Dinge sind in unserer Gewalt, andere nicht. In unserer Gewalt sind: Meinung, Trieb, Begierde, Widerwille, kurz alles, was unser eigenes Werk ist. – Nicht in unserer Gewalt sind: Leib, Vermögen, Ansehen, Ämter, kurz alles, was nicht unser eigenes Werk ist.“ (1.1)

Der Leib kann ableben oder von Krankheiten heimgesucht und geplagt werden, Vermögen vergehen, Ansehen sinken, Ämter können verlorengehen. Vor dem Hintergrund einer postulierten Willensfreiheit liegt allein unser Inneres nach entsprechendem „stoischen Training“ prinzipiell in unserer Gewalt. So u. a. unsere mit Bewertungen oder Beurteilungen getränkten Meinungen (siehe auch nächster Absatz).

Entscheidend für unser Glück, so ließe sich Epiktet interpretieren, ist eine Psychohygiene durch eine funktionale Beeinflussung unseres Inneren, während die Schicksalsabhängigkeit äußerer Dinge hinzunehmen ist.

Nach meiner Lesart adressiert Epiktet im folgenden pointierten Zitat jene äußeren Dinge, auf die wir nur einen begrenzten Einfluss haben:

„Verlange nicht, daß die Dinge gehen, wie du es wünschst, sondern wünsche sie so, wie sie gehen, und dein Leben wird ruhig dahinfließen.“ (8.)

Das ruhige Dahinfließen dürfte auf den glücklichen Zustand der Seelenruhe verweisen.

Und ergänzend:

„Du kannst unüberwindlich sein, wenn du dich in keinen Kampf einläßt, in dem es nicht in deiner Macht steht, zu obsiegen.“ (19.1)

Ich fühle mich bei der Epiktet’schen Lehre ein wenig an das bekannte, freilich viel jüngere Gelassenheitsgebet von R. Niebuhr („Gott, gib mir die Gelassenheit, die Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, / Mut, die Dinge zu ändern, die ich ändern kann, / Und Weisheit, um den Unterschied zwischen beidem zu erkennen (…)“) erinnert. Entscheidend ist eine Fokussierung auf das uns Verfügbare, i. S. v. worauf wir überhaupt einen nachhaltigen Einfluss haben.

Dinge vs. Meinungen: Epiktet als Vorläufer der kognitiven Verhaltenstherapie

Besonders bekannt ist das folgende Zitat Epiktets:

„Nicht die Dinge selbst, sondern die Meinungen über die Dinge beunruhigen die Menschen. (…) Wenn wir nun auf Hindernisse stoßen oder beunruhigt oder bekümmert sind, so wollen wir niemals einen andern anklagen, sondern uns selbst, das heißt: unsere eigenen Meinungen. (…)“ (5.)

Der in ihm enthaltene Gedanke hat stark die so genannte kognitive Verhaltenstherapie des 20. Jahrhunderts und der Gegenwart geprägt. Psychotherapeuten wie beispielsweise Albert Ellis (1913-2007), Aaron T. Beck (1921-2021), Donald Meichenbaum (*1940), oder in letzter Zeit Harlich Stavemann (vgl. Stavemann, 2023, S. 48-51) griffen stoisches Gedankengut und nicht zuletzt Epiktets Glückslehre in ihren eigenen Therapiekonzepten auf.

Epiktets Lehre erscheint in diesem Lichte ausgesprochen aktuell, etwa wenn er schreibt:

„Bedenke, daß nicht derjenige dich kränkt, der dich schmäht oder schlägt, sondern die Meinung, daß darin etwas Kränkendes liege. Wenn dich also jemand ärgert, so wisse, daß dich deine Meinung geärgert hat. (…)“ (20.)

Ein Zitat, das nicht nur leicht kränkbare Narzissten kennen sollten.

Auch sehr modern verhaltenstherapeutisch mutet folgendes Zitat an:

„Folgende Schlüsse sind nicht richtig: „Ich bin reicher als du, somit besser als du“; – „Ich bin beredter als du, somit besser als du.“ – Richtiger sind die folgenden: „Ich bin reicher als du; somit ist mein Besitz mehr wert als der deinige“; „Ich bin beredter als du; somit ist meine Ausdrucksweise besser als die deinige.“ Du selbst aber bist weder Besitz noch Ausdrucksweise.“ (44.)

Schlussbetrachtung

Epiktets Weisungen zu einem guten, glücklichen Leben erscheinen mir erstaunlich aktuell. Sein Gedanke, dass wir eine prinzipielle Kontrolle über unser Inneres haben (auch wenn wir uns diese in einem anstrengenden Prozess gewissermaßen antrainieren müssen) und entsprechend hier unser Heil suchen sollten, nicht im Außen der kontingenten, flüchtigen Güter, inspirierte in den letzten Jahren zahlreiche Therapie- und Coachingkonzepte. In einer Zeit ähnlich großer Verwerfungen wie im hellenistischen Zeitalter Epiktets, kann dessen Lehre vielleicht zu ein wenig mehr Seelenruhe und Gelassenheit beitragen. Auch inmitten zahlreicher K’s: Kriege, Krisen, Katastrophen.

Entscheidend hierfür sind in verhaltenstherapeutischer Sprache andere K’s. Nämlich unsere Kognitionen, unsere Gedanken, mitsamt allen in ihnen mitschwingenden, enthaltenen Bewertungen, von denen viele irrational und dysfunktional sein mögen. Diese sind es erst, die uns aufwühlen und zu emotionalen Problemen und Krisen führen. Epiktets Glückslehre stellt somit den Versuch der philosophisch-psychotherapeutischen Selbstbetrachtung dar, deren Ziel das Glück und die seelische Gesundheit sind.

Ich persönlich habe großen Respekt vor seiner Stringenz bzw. der inneren Logik seiner Lehre. Ich hadere allerdings noch ein wenig damit, dass Epiktet Glück alleine vom Inneren abhängig macht. In dieser Hinsicht bin ich wohl eher Aristoteliker und messe auch äußeren Dingen einen gewissen Wert fürs Glück bei, so zum Beispiel (guten) Beziehungen, die mir essentiell für die Befriedigung des natürlichen Bindungsbedürfnisses des Menschen erscheinen. Diese (wenngleich nicht ausschließliche) zwischenmenschliche Dimension des Glücks scheint mir bei Epiktet und vielen Stoikern unterbelichtet zu sein.

Weiterführende Artikel

Wenn du dich für antike Glückslehren interessierst, könnten folgende Glücksquellen-Artikel etwas für dich sein:

Quellen & Inspiration

  • Epiktet (2015): Das Buch vom geglückten Leben (übers. v. Karl Conz), Anaconda. (Bietet einen guten, kompakten Einstieg in die Glücksethik Epiktets, inklusive einiger hilfreicher Erläuterungen, zudem erschwinglich)
  • Epiktet (2023): Handbüchlein der Moral, Unterredungen, Fragmente, übersetzt, erläutert und mit einer Einleitung versehen von Christof Rapp, Kröner. (Für alle, die sich intensiver mit Epiktet auseinandersetzen wollen, wohl die noch für lange Zeit maßgebliche (Neu-)Übersetzung und durch die umfangreiche Einleitung eine geniale Publikation; zeichnet sich dadurch aus, nicht nur das Handbüchlein zu fokussieren; sehr, sehr empfehlenswert)
  • Masek, Michaela (2023): Antike Glücksethik, utb. (Führt in verschiedene antike Glückslehren ein, inklusive Platon. Aristoteles, Stoa, Epikur u. a.)
  • Long, A. A. & Sedley, D. N. (2000): Die hellenistischen Philosophen. Texte und Kommentare, Verlag J. B. Metzler. (Eine inzwischen klassische Textsammlung, eher für Fachleute)
  • Stavemann, Harlich (2023, 6. Aufl.): Integrative KVT, Beltz. (Beispiel für eine moderne verhaltenstherapeutische Konzeption, die sich u. a. auf Epiktet und die Stoiker beruft)

Foto: Pixabay

Von André Martens

André Martens ist studierter Philosoph und Psychologe mit mehrjähriger Erfahrung im Bereich der klinischen Psychologie. Er ist der Gründer des Blogs gluecksquellen.de. Seit vielen Jahren beschäftigt er sich privat und professionell mit dem Thema Glück.

Ein Gedanke zu “Epiktet über das Glück”
  1. O, jetzt hast du mich ertappt.
    Immer fiel mir zu deinen Artikeln spontan etwas ein, heute muss ich passen.
    Ich verspreche, einen Kommentar zu „Epiktet“ ab zu geben, wenn ich es noch einmal, 2 oder 3 mal gelesen habe. Das eine Wort werde ich dann in den Mittelpunkt stellen „Psycho- Hygiene“.
    Auch ich glaube, entgegen der Meinung von Epiktet, das Glück ein wenig von äußeren Umständen abhängig ist.

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