Trauer und Glück, Engelsstatue in Park

Schließen sich Trauer und Glück wechselseitig aus? Oder ist das schier Unmögliche möglich: Glück auch in der Trauer?

Die Erde wird geöffnet und ein Mensch verschwindet in ihr, hinterlässt den Angehörigen Ohnmacht und Schmerz. Das bittersüße Geschenk der Erinnerung. An das Gestern, Vorgestern, an Tage voller Licht und Schatten. An die Schönheit des Alltäglichen, das man damals vielleicht gar nicht immer zu schätzen wusste. Man steht nach dem letzten Geleit auf der Wiese, hält sich fest am Ritual, bis es still wird, bis gespeist wurde und sich die Versammlung auflöst. Trauer in den Straßen. Trauer im Herzen. Man blickt gen Himmel und sieht die schwer hängenden Wolken, wartet auf den Regen. Es ist, als würde es nie wieder einen Sonnenschein geben, der tatsächlich wärmt. Die Bande wie gesprengt, und alles in uns beschmiert mit Einsamkeit. Das ist die gefühlte Unendlichkeit des Schmerzes.

In diesem Moment mag man sich fragen: Wird es für mich jemals wieder Momente des Glücks geben? Kann dieser Schmerz ein Ende haben? Kann ich den immateriellen Schmerz verdauen? Ja, kann der leere Platz dort drüben seinen Sinn finden, irgendwann, irgendwie? Auf eine Weise, die noch außerhalb des von mir Fassbaren liegt?

Es erscheint unmöglich, dass es in diesem teerschwarz Angestrichenen etwas geben kann wie Glückssplitter, wie ein Funkeln, das in Richtung Zukunft weist. Wie einen Impuls, der alles wieder ins Rollen bringt, uns in eine neue, andere Zeit führt. Der Rucksack voll Erinnerungen, voller Fäden ins Gestern.

Trauer und Glück Seite an Seite?

Schließen Trauer und Glück einander wechselseitig aus oder können sie koexistieren? Diese Frage stellte ich mir oft. Beim Anblick eines Fotos, auf einer Parkbank, an deinem letzten Ort.

Die nigerianische Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie verfasste kürzlich ein Buch über den Tod ihres Vaters mit dem Titel Notes on Grief, dessen deutscher Titel mich sehr beeindruckt:

Trauer ist das Glück, geliebt zu haben.

Ich konnte bisher nicht herausfinden, ob es sich um einen kongenialen Einfall der Übersetzerin Anette Grube handelt oder um ein Zitat. Wie dem auch sei: Ja, Trauer ist das Glück, geliebt zu haben. Trauer entspringt der Liebe. Die Liebe durchwirkt das Glück. Wie könnte da nicht eine sehr absonderliche, sehr schmerzhafte Verbindung bestehen zwischen Trauer und Glück?

Damit ist nicht gesagt, dass Trauer Glück ist. Nein, nimmer ist sie es. Aber sie ist wertvoll. Und sie weist auf Wertvolles. Der Verlust ist schlecht. Aber die Trauer ist gut, auch wenn sie schmerzt.

Seit zwei Jahren gibt es dich nunmehr nur noch in gewandelter Form. Und doch bist du noch da, Claudia, in Ewigkeit.

Fotos: Pixabay & André Martens

Von André Martens

André Martens ist studierter Philosoph und Psychologe mit mehrjähriger Erfahrung im Bereich der klinischen Psychologie. Er ist der Gründer des Blogs gluecksquellen.de. Seit vielen Jahren beschäftigt er sich privat und professionell mit dem Thema Glück.

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