Smiling Depression: Dauerlächeln trotz Leiden

Smiling Depression, im Deutschen teilweise verfälscht als maskierte oder versteckte Depression bezeichnet, ist ein ernstes und oft missverstandenes Phänomen im Bereich der psychischen Gesundheit. Auf den ersten Blick mag alles normal erscheinen, wenn jemand lacht und fröhlich wirkt, aber tief im Inneren kann bei ihm/ihr bildlich gesprochen eine stille Schlacht toben. Dieser Artikel befasst sich näher mit dem Phänomen der Smiling Depression und wie man ihre Anzeichen erkennt. Außerdem sollen Wege aufgezeigt werden, wie sich die „lächelnde Depression“ überwinden lässt.

Was ist eine so genannte Smiling Depression?

Eine Smiling Depression ist keine eigenständige Diagnose im Sinne gängiger psychiatrischer Klassifikationssysteme wie der ICD und dem DSM, sondern eine Form der klinischen Depression, bei der die betroffenen Personen ihre wahren Gefühle bzw. Stimmung hinter einem Lächeln oder einer fröhlichen Fassade verbergen. Im Gegensatz zu typischen depressiven Symptomen wie anhaltender Depressivität/Traurigkeit, Interessen- und Antriebsverlust sowie Hoffnungslosigkeit zeigen Menschen mit einer Smiling Depression nach außen hin überwiegend keine offensichtlichen Anzeichen von Leid. Dies kann dazu führen, dass ihre dennoch bestehenden inneren Konflikte, Schmerzen bzw. Leidenszustände von anderen Personen übersehen oder unterschätzt werden, oft sogar von nahen Angehörigen. Die Folge ist leider häufig eine weitere Intensivierung des Leids.

Ein Fallbeispiel

Sophie (anonymisiert, Name geändert): Sophie war immer das strahlende Vorbild ihrer Freunde und Familie. Mit einem bezaubernden Lächeln auf den Lippen schien sie das perfekte Leben zu führen. Sie hatte einen gut bezahlten Job, viele soziale Kontakte und war immer bereit, anderen in ihrem Bekanntenkreis zu helfen. Doch hinter dieser makellosen Fassade verbarg sich gewissermaßen ein geheimer Schmerz, den niemand erkannte oder erahnte. In den letzten Jahren hatte Sophie mit einer andauernden inneren Leere zu kämpfen. Sie fühlte sich ständig erschöpft, selbst wenn sie genug Schlaf bekam, und ihr Interesse an den Dingen, die sie einst liebte, schwand kontinuierlich. Obwohl sie äußerlich fröhlich wirkte, plagten sie tiefe Selbstzweifel und eine lähmende Traurigkeit. Sophie wagte es nicht, ihren Freunden von ihrem inneren, emotionalen Leiden zu erzählen. Sie fürchtete, sie würden sie nicht verstehen oder ihr aber vorwerfen, ihnen jahrelang nur eine Rolle vorgespielt zu haben. Die Smiling Depression bedeutete, dass sie ihre Gefühle verbarg und sich mit ihrem Schmerz gleichsam isolierte. Die Symptomatik wurde schließlich von einer Fachärztin richtig eingeordnet und Sophie konnte schrittweise gesunden.

Es ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei der „lächelnden Depression“ um einen gerade im englischsprachigen Raum verbreiteten Begriff handelt, der meines Wissens nicht einer intensiven klinischen Forschung mit so genannten randomisiert-kontrollierten Studien entstammt, sondern überwiegend auf klinischen Fallstudien basiert und in den letzten Jahren vielfach redaktionell aufgegriffen wurde. Als Heuristik hat er jedoch meines Erachtens einen gewissen Wert und könnte Betroffenen helfen, (endlich) in ihrem Leid ernstgenommen zu werden.

Anzeichen und Symptome von einer Smiling Depression

Die Anzeichen von Smiling Depressionen können recht versteckt sein und werden oft von anderen übersehen. Manchmal sogar von den Betroffenen selbst! Hier einige häufige Symptome (es handelt sich hierbei nicht um eine klinische Symptomliste!):

  • Konstantes Lächeln: Menschen mit einer Smiling Depression lächeln selbst dann, wenn sie sich innerlich elend fühlen. Ihr Lächeln kann jedoch auf den zweiten Blick gezwungen, aufgesetzt, leer oder „oberflächlich“ wirken.
  • Perfektionismus: Betroffene setzen sich oft sehr unter Druck, um perfekte Leistungen zu erbringen und ihre wahren Gefühle (inkl. Versagens- und Verlustängste sowie Selbstzweifel) zu verbergen. Hierbei handelt es sich möglicherweise nicht im näheren Sinne um ein Symptom, sondern eine Begleiterscheinung oder einen Bedingungsfaktor. Häufig spielen auch ein Druck zur Selbstoptimierung und Toxische Positivität eine wichtige Rolle bei der Entstehung.
  • Soziale Isolation: Obwohl sie nach außen hin zunächst gesellig erscheinen mögen, wirken Menschen mit Smiling Depression häufig sogar in sozialen Situationen seltsam „zurückgezogen“ bzw. „nicht greifbar“ und verbergen ihre wahren Emotionen vor anderen hinter der aufgesetzten Fassade.
  • Schlafprobleme: Schlafstörungen, wie Schlaflosigkeit/Einschlafprobleme oder übermäßiges Schlafen, sind häufig bei Smiling Depressionen.
  • Niedriges Selbstwertgefühl: Betroffene haben oft ein niedriges Selbstwertgefühl und zweifeln an ihrer eigenen Wichtigkeit. Diskutieren ließe sich in diesem Zusammenhang u. a., ob das konstante Lächeln die Funktion hat, auf andere Menschen sozial attraktiv zu wirken und somit Zurückweisungen zu vermeiden (s. u.). Das unbewusste Kalkül wäre entsprechend: Ein lächelnder, immer gut gelaunt scheinender Mensch eckt nicht an und belastet andere nicht. Man wird, so die Hoffnung, nicht ab- und zurückgewiesen.
  • Erschöpfung: Obwohl sie nach außen hin häufig energisch, initiativ und engagiert wirken, fühlen sie sich innerlich erschöpft und leer. Dies kann an der depressiven Grunderkrankung liegen, dürfte aber durch den Kraftaufwand, eine positive Fassade aufrechtzuerhalten, noch weiter begünstigt werden.

Wie erkennt man Smiling Depressionen?

Smiling Depressionen zu erkennen, kann wie beschrieben eine echte Herausforderung sein, da die Betroffenen ihre wahren Gefühle bzw. ihr inneres Leid gut verbergen. Häufig tun sie dies nicht erst seit kurzem, sondern schon seit der Kindheit oder Jugend. Das „Dauerlächeln“ bewährte sich biographisch vielleicht als (emotionale) Überlebensstrategie, welche nun im Erwachsenenalter jedoch zu manifesten Problemen führt.

Weitere Hinweise, die auf eine Smiling Depression hindeuten

  • Übermäßige Fröhlichkeit und gute Laune: Hierbei gibt es keine „harte Grenze“ zwischen Maß und Übermaß – oft spüren wir jedoch intuitiv, ab wann ein Mensch einfach zu häufig zu gut gelaunt und fröhlich ist (das sprichwörtliche „zu schön, um wahr zu sein“).
  • Eindruck von Selbstentfremdung und Alienation: Das äußere Nichtzeigen und Nicht-Ausdrücken von unangenehmen Gefühlen, Leid usw. führt langfristig oft auch zu einem inneren Ausblenden und Vermeiden dieser Zustände. Und schließlich zu einer starken Selbstentfremdung, fachsprachlich auch als Alienation bezeichnet. Dies liegt u. a. daran, dass unangenehme Gefühlszustände wichtige Hinweise auf unbefriedigte Grundbedürfnisse darstellen können. Ein Zugang zu ihnen ist im Übrigen wichtig für unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit.
  • Schneller Themenwechsel bei bzw. Vermeidung von unangenehmen Themen und Gefühlen: Betroffene ertragen es häufig nur schwer oder gar nicht, sich mit schwierigen Themen und Gefühlen auseinanderzusetzen (vgl. das sog. Weglächeln und drüber hinweglächeln).
  • Konfliktvermeidung: Wenn man annimmt, dass Lächeln u. a. die soziale Funktion hat, anderen gegenüber eine freundliche Gesinnung auszudrücken und als „sozialer Klebstoff“ fungiert, könnte ein Dauerlächeln wie bei der Smiling Depression als ein Versuch gedeutet werden, dauerhaft Konflikte, Spannungen etc. zu vermeiden. Es scheint zumindest bei vielen Betroffenen einen Zusammenhang zwischen der Problematik und einer Tendenz zu einer allgemeinen Konfliktvermeidung zu geben.
  • Gefühl von Leere und Sinnlosigkeitserleben: Wenn jemand trotz äußerem Erfolg oder Glück ein anhaltendes Gefühl der Leere oder Sinnlosigkeit beschreibt, könnte das ein Zeichen der lächelnden Depression sein.
  • Verstärkte Müdigkeit: Eine ständige Erschöpfung trotz ausreichenden Schlafs kann ebenfalls auf eine Smiling Depression hinweisen (allerdings auch auf viele andere Phänomene; vgl. oben: Erschöpfung).

Umgang mit einer Smiling Depression

Wenn man den Verdacht hat, von einer Smiling Depression betroffen zu sein, ist es wichtig, die Symptome ärztlich bzw. psychotherapeutisch auf eine klinisch bedeutsame depressive Erkrankung hin abklären zu lassen und sich ggf. professionelle Unterstützung zu suchen. Es handelt sich bei der Smiling Depression mitnichten um ein Lifestyle-Phänomen!

Entlastend kann darüber hinaus sein, sich Unterstützung im eigenen sozialen Netzwerk zu suchen und in Form des Ventils der Selbstmitteilung „inneren Druck abzulassen“. Also die eigenen Gefühlszustände und Gedanken zum Beispiel mit vertrauenswürdigen guten Freunden und Familienmitgliedern zu teilen. Dies kann anfänglich mit Scham- und Angstgefühlen einhergehen. Kleine Schritte sind dann mehr als keine Schritte. Es muss nicht immer gleich „die große Selbstöffnung“ sein. Gegebenenfalls kommen auch Seelsorge-Hotlines infrage (Telefonseelsorge). Hier kann man sich anonym aussprechen und beraten lassen.

Vielen Betroffenen hilft es bereits enorm, von anderen in ihrem Leid gesehen und damit ernstgenommen zu werden. Oft ist es für sie nicht leicht, die jahrelange Fassade einfach abzulegen, da sie quasi zu einer zweiten Haut geworden ist. Als Angehörige sollte man daher nicht an ihnen „zerren“, sondern ihnen empathisch und behutsam ein „offenes Ohr“ schenken und Hilfe und Unterstützung anbieten.

Zusammengefasst: Eine Smiling Depression ist eine ernsthafte Angelegenheit, die auf keinen Fall ignoriert werden sollte. Die Anerkennung dieser versteckten Form der Depression, professionelle Abklärung und ggf. die Suche nach Unterstützung sind wichtige Schritte auf dem Weg zu einer Genesung und zu persönlichem Wohlbefinden.

Fazit zur Lächeldepression

Eine Smiling Depression mag unsichtbar sein, aber sie ist genauso ernstzunehmen wie andere Formen der Depression, bei denen das Leiden offen(er) ausgedrückt wird bzw. sich an der Oberfläche zeigt. Es ist entscheidend, die Anzeichen und Symptome zu erkennen und sich angemessene Unterstützung zu suchen. Wer selbst von einer Smiling Depression betroffen ist oder jemanden mit typischen Anzeichen kennt, sollte nicht zögern, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen bzw. eine solche zu empfehlen. Die Last hinter dem Lächeln kann mit der richtigen Unterstützung überwunden und Lebensqualität zurückgewonnen werden. Ein glücklicheres, erfülltes Leben ohne die „Last der fröhlichen Fassade“ ist möglich.

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Hinweis: Dieser Artikel dient ausdrücklich nur der allgemeinen Information, nicht der Diagnostik. Er wurde gewissenhaft recherchiert, dennoch erhebt er weder Anspruch auf Vollständigkeit noch kann die Aktualität, Richtigkeit und Ausgewogenheit der dargebotenen Information garantiert werden. Von einer depressiven Erkrankung Betroffenen wird dringend eine fachärztliche (z. B. hausärztlich, psychiatrisch, psychotherapeutisch) Abklärung angeraten. Dies gilt insbesondere im Falle von begleitender Suizidalität und/oder selbstverletzendem Verhalten.

Foto: Pixabay

Von André Martens

André Martens ist studierter Philosoph und Psychologe mit mehrjähriger Erfahrung im Bereich der klinischen Psychologie. Er ist der Gründer des Blogs gluecksquellen.de. Seit vielen Jahren beschäftigt er sich privat und professionell mit dem Thema Glück.

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