Smileys, glücklich und unglücklich, verschiedene Gefühle

Der Begriff der „Glücksfalle“ wurde maßgeblich von dem australischen Arzt, Coach und Psychotherapeuten Russ Harris geprägt. Was es mit der Glücksfalle auf sich hat und welche Folgen mit ihr einhergehen.

In seinem Buch Wer dem Glück hinterherrennt, läuft daran vorbei (engl.: The Happiness Trap: Stop Struggling, Start Living, 2007) beschreibt der australische Arzt, Coach und Psychotherapeut Russ Harris ein Phänomen, das er als Glücksfalle bezeichnet. Hierzu führt er aus:

Dieses Buch basiert auf einem wachsenden Fundus wissenschaftlicher Forschungsergebnisse, die nahelegen, dass wir alle in einer mächtigen psychologischen Falle gefangen sind. Unser Leben ist von vielen unzutreffenden und wenig hilfreichen Vorstellungen vom Glück beherrscht – Überzeugungen, die weithin akzeptiert sind, weil doch „jedermann weiß, dass sie wahr sind“. Da diese Überzeugungen sinnvoll zu sein scheinen, sind Sie Ihnen in nahezu jedem Selbsthilfebuch, das Sie bisher gelesen haben, begegnet. Doch leider erzeugen diese irreführenden Vorstellungen einen Teufelskreis, in dem wir desto mehr leiden, je mehr wir nach Glück streben.

Russ Harris, Wer dem Glück hinterrennt …, S. 13; Fettung A. M.

Harris führt in der Folge aus, dass viele Menschen unrealistische Erwartungen dem eigenen Glück gegenüber hegen. Dabei leide statistisch betrachtet beinahe 30 Prozent der erwachsenen Bevölkerung an einer anerkannten psychischen Erkrankung. Zudem habe beinahe jede/r Zweite in seinem/ihrem Leben eine Phase, in der er/sie ernsthaft in Betracht ziehe, sich umzubringen. Harris zieht folgenden Schluss:

Es ist ganz offensichtlich: Anhaltendes Glück ist nicht normal!

S. 16

Wir seien evolutionär daraufhin angelegt, psychisch zu leiden, so etwa im Zusammenhang von Vergleichen mit anderen; Selbstreflexion und Selbstkritik; Aufmerksamkeitslenkung auf das, an dem es uns aktuell mangelt; schneller Unzufriedenheit mit dem, was wir haben/besitzen; und Ängsten und Sorgen. All diese Phänomene machen evolutionär durchaus Sinn, zumindest bis zu einem gewissen Ausmaß. Negativ ausfallende Vergleiche können (wenn nicht zu negativ und stark ausgeprägt) motivieren. Dasselbe gilt für Selbstreflexion und -kritik (in Maßen!). Mängel zu erkennen (etwa frustrierte Grundbedürfnisse), ist die Voraussetzung dafür, sie zu beheben. Verhältnismäßig schnell eintretende Unzufriedenheit kann mitunter ebenfalls motivieren. Ängste und Sorgen können uns vor kapitalen Fehlern und Gefahren schützen. Und so weiter, und so fort.

Harris weiter:

Die Wirklichkeit ist, dass Leben Leiden beinhaltet. Man kann dem nicht entkommen. Als Menschen werden wir alle mit der Tatsache konfrontiert, dass wir früher oder später krank oder gebrechlich werden und sterben müssen.

S. 21

Harris weist in der Folge darauf hin, dass in westlichen Gesellschaften psychisches Leiden oftmals als abnorm angesehen wird, per se als „Schwäche“ oder Krankheit. Trotz seiner Allgegenwärtigkeit, die sich nicht dauerhaft hinter den Fassaden unserer Smiley-Kultur verstecken lässt.

Wir leben, so Harris, in einer Wohlfühlkultur, die besessen davon sei, das Glück zu finden. Das Problem: Dauerhaftes Wohlgefühl sei schlicht nicht möglich. Die Dinge, die wir im Leben am meisten schätzen, z. B. Beziehungen, brächten eine ganze Palette an Gefühlen mit sich, angenehme wie auch unangenehme. Perfekte Beziehungen gibt es nicht. Zudem haben wir sehr viel weniger Kontrolle über unsere Gefühle und auch Gedanken, als uns lieb ist. Dabei streben viele Menschen ihr Leben lang danach, ihre Gefühle und Gedanken zu kontrollieren und zu lenken – hinein in die Gewässer des Glücks. Harris spricht hier von einer „Illusion der Kontrolle“. Unangenehme Gefühle und Gedanken sollen kontrolliert, abgelenkt, eliminiert, ausradiert, verdrängt, genichtet, vermieden usw. werden, angenehme hingegen sollen sich unbegrenzt vermehren.

Kontrollstrategien, so Harris, können jedoch derart exzessiv werden, dass sie uns von den Dingen ablenken, die uns wirklich wichtig sind. Wir beschäftigen uns dann nur noch mit dem Streben nach Glück und der Kontrolle/Vermeidung von Unglück, nicht aber mehr primär mit dem Wichtigen im Leben: z. B. Gesundheit, Freundschaften, unserer Familie, Plänen und Lebensvisionen, Träumen, Sport und Religion. Alles dreht sich nur noch um die Jagd nach Wohlbefinden und das Verhindern von Leidzuständen u. Ä.

Harris‘ These zur Glücksfalle lautet nun:

Die Glücksfalle wird durch unwirksame Kontrollstrategien aufgebaut. Um uns glücklich zu fühlen, geben wir uns Mühe, das zu kontrollieren, was wir fühlen.

S. 52

Hiermit gehen jedoch viele Nachteile einher. So verbrauchen Kontrollstrategien viel Zeit und Energie, und sind auf lange Sicht meist unwirksam. Wenn unangenehme Gefühle und Gedanken nach einiger Zeit wie Untote zurückkehren, fühlen wir uns zudem umso ohnmächtiger und weniger selbstwirksam. Und: Viele Kontrollstrategien mindern langfristig unsere Lebensqualität. Hieraus resultieren noch mehr unangenehme Gefühle und es könne nach Harris zu einem richtigen Teufelskreis kommen, gewissermaßen einer psychischen Abwärtsspirale.

Zusammenfassung: Was ist die Glücksfalle?

Nach Russ Harris resultiert die Glücksfalle aus übertriebenen Erwartungen an das eigene Glück bzw. Wohlbefinden. Viele Menschen, insbesondere in westlichen Gesellschaften, strebten durch verschiedene so genannte Kontrollstrategien tagtäglich v. a. nach der Vermeidung, Reduktion oder gar gänzlichen Eliminierung von unangenehmen Gefühlen und Gedanken. Dabei investierten sie enorm viel Energie und verlören häufig das aus den Augen, was ihnen wirklich wichtig ist. Sie verfangen sich dadurch in einer Art Teufelskreis, der ein wenig einem Hamsterrad gleicht. Aufgrund der natürlichen Attraktivität des Glücks (v. a. wenn es bloß als Zustand des Wohlbefindens definiert wird), sei es gleichsam nicht leicht, nicht in die Falle zu tappen.

Harris liefert natürlich mögliche Auswege aus der Glücksfalle, die teilweise auch in diesem Blog besprochen werden. Allen Interessierten sei wärmsten sein hier zitiertes Buch Wer dem Glück hinterherrennt, läuft daran vorbei zur Lektüre empfohlen (Goldmann Verlag). Es ist zugleich eine leicht zugängliche und lesenswerte Einführung in die so genannte Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT), die neben Stephen C. Hayes stark von Russ Harris geprägt wurde. Die ACT nimmt, anders als viele andere Verfahren, das menschliche (psychische) Leiden als normal und gegeben an und entwickelt Strategien, wie Menschen auch mit Leidenszuständen im Gepäck ein solches Leben leben können, das sie mit Sinn erfüllt. In den Worten antiker Philosophen: ein gutes Leben.

Von André Martens

André Martens ist studierter Philosoph und Psychologe mit mehrjähriger Erfahrung im Bereich der klinischen Psychologie. Er ist der Gründer des Blogs gluecksquellen.de. Seit vielen Jahren beschäftigt er sich privat und professionell mit dem Thema Glück.

Ein Gedanke zu “Die Glücksfalle: Was sie ist und welche Folgen sie hat”

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner