Mitfreude am Beispiel zweier Freundinnen

Mitfreude bezeichnet die Anteilnahme an der Freude eines anderen oder anderer. Man überwindet für diesen Moment gewissermaßen eine egozentrische Position. Über die Mitfreude als eine Glückstugend.

Wir Menschen streben nach schönen Momenten, positiven Gefühlen, nach Glück und Wohlbefinden, bei gleichzeitiger Vermeidung von Unlust. Das ist ganz natürlich. Es ist uns in unsere Natur eingeschrieben worden. (Und manchmal übertreiben wir es auch, wie im Falle der toxischen Positivität.)

Bereits in der Antike stellten Philosophen das Glück als das höchstes Ziel unseres unermüdlichen Strebens dar, dem sich alle anderen Ziele unterordnen und dadurch zu Mitteln zum Zwecke (des Glücks) werden.

Denkt man eine Weile über diese Betrachtungsweise nach, so mag sich der Eindruck einstellen, dass es bei all dem ja immer um uns geht, sich alles um uns und unser persönliches Wohlbefinden und Glück dreht. Es handelt sich um eine zumindest vordergründig individualistische Sichtweise, die den/die Einzelne/n in den Blick nimmt.

Doch was ist mit dem Glück der anderen? Der Freunde und Familie? Der Gemeinschaft und Gesellschaft? Der Menschheit? Oder wenigstens dem „Glück der größten Zahl“, wie es im so genannten Utilitarismus heißt?

Du, er, sie, es, wir, ihr, sie.

Das Thema Glück wird häufig auf das Individuum bezogen. Das gilt nicht nur für viele antike Denker, sondern auch und besonders für die heutige Zeit. Ziel zahlreicher Bücher, Podcasts, Kanäle, Kurse, Trainings und so weiter ist die Förderung des Glücks des Einzelnen. Und dies selbst dann, wenn vordergründig zahlreiche Elemente so genannter östlicher Philosophien integriert und scheinbar selbstlose „Techniken“ wie Dankbarkeit kultivieren promotet werden. Am Ende möchte ICH glücklich sein oder zumindest glücklicher werden.

Nimmt man sich im doppelten Sinne für einen Moment zurück und betrachtet das Ganze aus der Entfernung, so wird sich aber vielleicht das vage Gefühl einstellen, dass Glück auch etwas mit dem Überschreiten des Nur-Individuellen zu tun haben könnte. Mit dem zeitweise Verlassen der egozentrischen Position.

Wir sind keine Inseln, wir leben in Gemeinschaft. Wir leben miteinander und nicht nur nebeneinanderher. Idealerweise.

Ein bisschen analog zu Werten könnte dann auch das Glück etwas wesentlich Überindividuelles sein.

Cut.

Heute möchte ich eine Verhaltensweise, ja vielleicht Tätigkeit, vorstellen, die man als eine Tugend bezeichnen könnte und stark an den Gedanken anknüpft, dass Glück nicht nur etwas eines Individuums ist.

Tugend ist so ein altes Wort, doch es trifft den Kern. Gemeint ist hier grob eine Fertigkeit bzw. (Charakter-)Eigenschaft eines Menschen. Tugenden sind erworbene/antrainierte, im Charakter, in der Persönlichkeit verankerte Verhaltenstendenzen, die in einem sittlichen (ja, noch so ein altes Wort …) Sinne lobenswert sind.

Um welche Tugend handelt es sich?

Um die Mitfreude (vgl. auch Mudita als buddhistische Variante).

Gemeint ist hiermit ganz einfach, dass man sich für einen anderen oder mehrere andere Menschen freut. Dass man sich für ihr Glück und Wohlergehen (mit)freut.

Mitfreude: Beim Glück des anderen sein

Mitfreude kann natürlich auch für das sich mitfreuende Individuum belohnend sein, denn sie fungiert wahrscheinlich wie eine Art sozialer Kitt, der Beziehungen festigt und vertieft (z. B. wenn sich der Vater oder die Mutter für ihr Kind freuen oder der Trainingspartner für meinen Turniererfolg). Insofern zahlt sie auf Ebene des Individuums auf das Grundbedürfnis-Konto der Bindung ein.

Doch Mitfreude hat wesentlich eine altruistische, selbstlose Ausrichtung. Ich bin ganz beim Glück des anderen und erfreue mich seines Glücks, und zwar für IHN. Das mögliche Angestecktwerden von anderer Menschen Glück oder das Glück, das ich beim Mich-mitfreuen erlebe, ist ein Nebenprodukt. Es geht hier nicht um mich, sondern den anderen.

Zugegeben: In unserer (teilweisen) Neidkultur hat es die Glückstugend der Mitfreude nicht immer leicht. Schnell mögen Gedanken hochkommen wie: Das will ich auch! Oder: Warum hat sie das, ich aber nicht? Schnell tappt man in die Falle des sozialen Vergleichs. Ich glaube dennoch, dass uns auch die Anlage und Tendenz zur Mitfreude in unsere Natur eingeschrieben wurde, so wie das unermüdliche Streben nach Glück und Wohlbefinden. Aus sicherlich guten Gründen.

Und was ist eure Meinung zur Glückstugend der Mitfreude? Schreibt sie gerne unten in die Kommentare.

Von André Martens

André Martens ist studierter Philosoph und Psychologe mit mehrjähriger Erfahrung im Bereich der klinischen Psychologie. Er ist der Gründer des Blogs gluecksquellen.de. Seit vielen Jahren beschäftigt er sich privat und professionell mit dem Thema Glück.

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