Der österreichische Lyriker, Essayist und Übersetzer Erich Fried (1921-1988) gilt als herausragender Vertreter der politischen Lyrik und wurde u. a. in der Friedensbewegung breit rezipiert. Bekannt wurde er jedoch vor allem durch seine Liebesgedichte (1979). 1987 wurde ihm der renommierte Georg-Büchner-Preis zugesprochen, den zuvor bereits Preisträger und Preisträgerinnen wie Gottfried Benn, Heinrich Böll, Erich Kästner, Max Frisch, Ingeborg Bachmann und Hans Magnus Enzensberger erhalten hatten. Auch das Thema Glück streift Erich Fried bisweilen, allerdings mehr beiläufig denn als Kernthema seiner Lyrik! Man möchte meinen, die Liebe und der Frieden nähmen eine zentralere Rolle in seinem Werk ein. Der Glücksimpuls de Tages.
Starten wir unsere Spurensuche mit dem wahrscheinlich bekanntesten Gedicht Erich Frieds, welches das Thema Glück streift: Bevor ich sterbe.
Bevor ich sterbe
Noch einmal sprechen
von der Wärme des Lebens
damit doch einige wissen:
Es ist nicht warm
aber es könnte warm sein
Bevor ich sterbe
noch einmal sprechen
von Liebe
damit doch einige sagen:
Das gab es
das muß es geben
Noch einmal sprechen
vom Glück der Hoffnung auf Glück:
damit doch einige fragen:
Was war das
wann kommt es wieder?
Die Wärme des Lebens, die Liebe, das Glück bzw. das Glück der Hoffnung auf Glück. Den Versen Frieds haftet der Geruch des Verlusts an. Eine Sehnsucht nach etwas Verlorenem, Vergangenem? Als seien wir aus dem Paradies vertrieben worden. Zugleich lassen sich leise, versteckte Zukunftsklänge entdecken. Eine Vision, eine Hoffnung, dass das, was wertvoll ist, sich reaktualisiert, wiederkehrt.
Die Liebe spielt auch in dem nächsten Gedicht Frieds eine zentrale Rolle und könnte, je nach Lesart, in die Nähe des Glücks gerückt werden:
Liebesgedicht für die Freiheit und Freiheitsgedicht für die Liebe
Mit der Freiheit ist das
so ähnlich wie mit der Liebe
Wenn dann das sogenannte Glück mich nach Jahren
wieder herausholt aus dem verschlossenen Schrank
und sagt: „Nun darfst du wieder!
Nun zeige, was du kannst!“
Werde ich dann einatmen und meine Arme ausbreiten
und wieder jung sein und voller Lebensmut
oder werde ich dann nach Mottenkugeln riechen
und mit den Knochen klappern im Takt eines fremden Herzschlags?
Mit der Freiheit ist das
so ähnlich wie mit der Liebe
und mit der Liebe ist das
so ähnlich wie mit der Freiheit
Das nächste Gedicht Frieds mit einer Glücks-Referenz spielt auf ein Rilke-Gedicht an (Liebes-Lied):
„Auf welches Instrument sind wir gespannt?“
Unglück
gebettet
zwischen ein
und ein anderes
Glück
Und Glück
gelegt
zum Spiel
zwischen Unglück
und Glück
Endlos
nach beiden Seiten
die schwarzen
und weißen
Tasten
aber
kein Tastsinn
kein Sinn
kein Spieler
kein süßes Lied
Bezüglich einer inhaltlichen Bestimmung des Glücks bei Erich Fried ist vielleicht folgendes Gedicht noch relativ am ergiebigsten, wenngleich sicherlich mit deutlichen Abstrichen:
Aufhebung
Sein Unglück
ausatmen können
tief ausatmen
so daß man wieder
einatmen kann
Und vielleicht auch sein Unglück
sagen können
in Worten
in wirklichen Worten
die zusammenhängen
und Sinn haben
und die man selbst nicht
verstehen kann
und die vielleicht sogar
irgendwer sonst versteht
oder verstehen könnte
Und weinen können
Das wäre schon
fast wieder Glück
Zitiert nach: Erich Fried: Gedichte, dtv (14. Auflage, 2009). Ein sehr empfehlenswertes Bändchen!
Mehr Glück gefällig? Voilà:
- Die zehn Gebote des Glücks nach David G. Myers
- Gibt es ein „Glücksrezept“?
- Robert Nozick: Die Erlebnismaschine und das Glück
Foto: Pixabay
Glücksrezept :
Viele Jahre fuhren wir nach Dänemark auf die Insel Mön zum Mönmarsch, 30 Kilometer durch traumhafte Landschaft. Am Ende, im Ziel gab es eine Zimptschnecke . Arme und Beine von sich gestreckt, lagen wir im Gras, die Zimptschnecke langsam genießen, wir waren glücklich.