Bild eines Konzerts zur Veranschaulichung von Robert Nozicks Erlebnismaschine
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Was hat es mit dem berühmten Gedankenexperiment der Erlebnismaschine (experience machine) des amerikanischen Philosophen Robert Nozick auf sich? Und was hat sie mit dem Glück zu tun?

Das Wichtigste in Kürze

  • Was die Erlebnismaschine ist: Die „Erlebnismaschine“ ist ein bekanntes Gedankenexperiment des Philosophen Robert Nozick, bei dem eine Maschine Menschen angenehme Erlebnisse und positive Empfindungen simuliert.
  • Hedonismus-Kritik: Das Gedankenexperiment hinterfragt, ob Glück ausschließlich durch positive Empfindungen definiert ist und zeigt Grenzen des reinen Hedonismus auf.
  • Argumente gegen die Erlebnismaschine: Nozick führt verschiedene Argumente an, sich nicht an eine solche Erlebnismaschine anschließen zu lassen, so z. B. unser Wunsch, dass Glück auf Tatsachen beruhen solle.
  • Implikationen des Gedankenexperiments: Im Zeitalter von Virtual Reality, KI und Neurowissenschaften wirft die Erlebnismaschine zahlreiche technologische, ethische und gesellschaftliche Fragen auf, die in diesem Artikel diskutiert werden.

Ist Glück einfach nur ein angenehmer mentaler Zustand? Das Erleben positiver Empfindungen, etwa von Freude, Lust, oder allgemein: Wohlbefinden? Oder ist es weit mehr als das? Und würden wir ein dauerhaftes, künstlich erzeugtes, Empfindungsglück einem „nur normalen“ Leben, mit all seinen Höhen und Tiefen, vorziehen?

Diese oder ähnliche Fragen dürfte sich der amerikanische Philosoph und Harvard-Professor Robert Nozick (1938-2002) gestellt haben, als er über das Glück nachdachte. Seine Gedanken zum Thema Glück und richtige Lebensführung führte er u. a. in seinem 1989 erschienenen The Examined Life (dt.: Vom richtigen, guten und glücklichen Leben, 1993) aus. Zu diesem Zeitpunkt hatte ihn sein Buch Anarchy, State, and Utopia (1974) bereits auf den Olymp der (politischen) Philosophie des 20. Jahrhunderts katapultiert.

Robert Nozick: Glück und die Erlebnismaschine

In The Examined Life* stellt Robert Nozick ein für die Philosophie des Glücks äußerst spannendes Gedankenexperiment vor, nämlich die so genannte Erlebnismaschine.**

Hierbei handelt es sich um eine Maschine, an die sich Menschen anschließen lassen können, um fortan dauerhaft durch künstlich produzierte Erlebnisse bzw. Erfahrungen (experiences) jede nur erdenklich positive, lustvolle, angenehme Empfindung zu verspüren, also beispielsweise das Erleben von Freude, Lust, Wohlbefinden u. ä.

Die Erlebnismaschine löst also dauerhafte positive mentale (innere) Erlebniszustände aus, ganz ohne unser eigenes Zutun!

Nozick schreibt:

„Stellen Sie sich eine Maschine vor, die Ihnen jede beliebige Erfahrung (oder Folge von Erfahrungen) vermitteln könnte, die Sie sich wünschen würden. Wenn Sie an diese Erfahrungsmaschine angeschlossen sind, können Sie die Erfahrung haben, ein großes Gedicht zu schreiben oder den Weltfrieden herbeizuführen oder jemanden zu lieben und wiedergeliebt zu werden. Sie können die Empfindungsfreuden dieser Dinge erfahren, wie sie sich von „innen“ anfühlen. Sie können Ihre Erfahrungen für den nächsten Tag oder die kommende Woche oder das kommende Jahr oder gar für den Rest Ihres Lebens programmieren.“ (S. 204*)

Nozick fügt noch hinzu, dass selbstverständlich auch andere Menschen die Chance bekommen würden, sich an die Maschine anzuschließen. Man bräuchte sich also quasi keine Gedanken machen, rein „egoistisch“ zu handeln. Außerdem werde man sich nach dem Anschließen nicht mehr daran erinnern, angeschlossen zu sein, „so werden keine Freuden dadurch zerstört werden, daß man sie als maschinell produziert durchschaut“ (S. 205*).

Eine wahre Glücksmaschine, möchte man meinen!

In einer Zeit, in der sich die Neurowissenschaften und Gentechnik gefühlt exponentiell weiterentwickeln und eine gezielte Manipulation bestimmter, glücksassoziierter Gehirnregionen u. a. durch Psychopharmaka immer erfolgreicher wird, erscheint Nozicks Glücksmaschine sicherlich alles andere als völlig utopisch. Gerade auch, wenn man an die neuen „Welten“ der virtual reality denkt (hierzu weiter unten mehr)!

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Nozick: Glück mehr als nur angenehme mentale Zustände

Nach Nozick solle das Gedankenexperiment bei uns eine bestimmte Frage aufwerfen, nämlich: „Kommt es uns nur auf unsere inneren Gefühle an?“ (S. 205*) Gemeint sind hier natürlich die positiven und angenehmen.

Anders gefragt: Ist Glück mit diesen angenehmen mentalen Zuständen identisch?

Nozick fragt seine Leser: „Würden Sie sich dafür entscheiden, dies (sich an die Erlebnismaschine anschließen, A. M.) für den Rest Ihres Lebens zu tun? Wenn nicht, warum nicht?“ (S. 204*)

Wäre „Glück“ unser primäres Ziel und mit möglichst vielen positiven Gefühlszuständen bzw. allgemeiner: Erlebniszuständen identisch (wie einige Anhänger des sog. Hedonismus behaupten), so wäre es doch völlig irrational, sich nicht dauerhaft, bis zum Tod, an jene fantastische Maschine anschließen zu lassen … Oder?

Nozick argumentiert jedoch in der Folge, dass durchaus Gründe bestehen, sich nicht an die Maschine anschließen zu lassen.

Er schreibt:

„Uns ist an mehr gelegen als nur daran, wie sich Dinge für uns von innen anfühlen; es gibt mehr im Leben als sich glücklich fühlen. Uns liegt an dem, was tatsächlich der Fall ist. Wir wollen, daß bestimmte Situationen, die wir achten, schätzen und für wichtig halten, tatsächlich zutreffen und so sind. (…) (W)ir wollen, daß unsere Emotionen oder ein gewisser Teil von ihnen, der wichtig ist, auf Tatsachen beruhen, die gelten, und daß sie passend sind. Wir wollen in gewichtiger Weise mit der Wirklichkeit verbunden sein und nicht in einem Wahn leben. (…) Was wir wollen und schätzen, ist eine tatsächliche Verbindung zur Wirklichkeit (…).“ (S. 206*)

Nozick ist der Auffassung, „sich mit seinen Annahmen, Bewertungen und Emotionen auf die äußere Wirklichkeit auszurichten ist wertvoll an sich, nicht nur als Mittel zu mehr Lust oder Glück.“ (ebenda*)

Weitere Argumente gegen Nozicks Erlebnismaschine

In Anarchy, State, and Utopia führt Nozick noch etwas konkreter Gründe aus, die Glücksmaschine abzulehnen:

Wir wollen Dinge tun, nicht nur die Erfahrung/das Erlebnis haben, sie zu tun (vgl. z. B. Nozicks Beispiel des herbeigeführten Weltfriedens).

Wir wollen ein bestimmter Mensch sein, nicht nur z. B. ein Körper in einem Sci-Fi-Tank oder hinter einer VR-Brille.

Zu ergänzen wäre das Argument, dass man in der Erlebnismaschine seine Liebsten (Partner, Familie, Freunde, …) niemals wiedersehen würde, allenfalls Simulationen von ihnen. Aber vielleicht hat die Realität, jenseits der Maschinen-Realität, ja einen Wert per se?

Ein weiteres Argument gegen die Erlebnismaschine könnte sein: Vielleicht wollen Menschen nicht einfach nur angenehme mentale Zustände erleben, sondern sich diese erarbeiten, erwirken, durch Bemühung erreichen, oder auch durch Zufall, unerwartet, „erhalten“. Einfach so, gewissermaßen grundlos, erfahrene „Glückszustände mit Ansage“ könnten als schal und wertlos erachtet werden.

Im Folgenden möchte ich mich nun noch etwas intensiver mit einigen angrenzenden Themen auseinandersetzen, etwa VR, KI, Neuroethik und gesellschaftliche Folgen der „Verkünstlichung“ des Glücks.

Fortschritte in Virtual Reality und Künstlicher Intelligenz

Nozicks Erlebnismaschine mag zwar auf den ersten Blick als eine arg hypothetische Zukunftsvision erscheinen, doch bei näherer Betrachtung lässt sich erkennen, dass moderne Technologien wie Virtual Reality (VR) und Künstliche Intelligenz (KI) sowie die Neurowissenschaften längst Wege ebnen, um in künstliche „Glückszustände“ einzutauchen. Die fortschreitende Entwicklung in diesen Bereichen führt daher zu aktuellen und drängenden Fragen nach dem Sinn, den Folgen und den Grenzen „künstlichen“ Glücks – auch jenseits einer akademisch-philosophischen Perspektive wie bei Nozick.

Es stellt sich die Frage: Leben wir vielleicht schon heute in einer Welt, die auf dem besten Weg ist, eine Form von Erlebnismaschine zu erschaffen?

Moderne VR-Systeme ermöglichen es den Nutzern bereits heute, virtuelle Welten so lebensecht zu erleben, dass es oft schwerfällt, sie von der realen Welt zu unterscheiden. In Kombination mit KI werden diese Welten zunehmend interaktiv und reagieren auf die Emotionen und Handlungen des Nutzers. So lassen sich Erlebnisse simulieren, die weit über die Möglichkeiten der eigenen „Realität“ (gewiss, hier ein schwieriges Wort) hinausgehen – von aufregenden Abenteuern über den Besuch fantasievoller Orte bis hin zu Simulationen zwischenmenschlicher Beziehungen, die sich jedoch mitunter erstaunlich real anfühlen.

Stellen wir uns nun vor, dass eine VR-Welt in naher Zukunft so perfektioniert werden könnte, dass sie der Erlebnismaschine von Nozick sehr nahekommt. In einer solchen Welt könnten Nutzer die Erfahrung eines ständigen Wohlgefühls durch individuell programmierte, nahezu perfekte Erlebnisse erleben.

Doch stellt sich hier die Frage: Sollten Menschen die Möglichkeit haben, dauerhaft in solchen virtuellen Welten zu leben, oder birgt dies langfristige Risiken für die Psyche und die gesellschaftliche Entwicklung?

Neuroethik und das Recht auf „künstliches“ Glück

Neben VR und KI spielen auch die Neurowissenschaften eine zentrale Rolle in der Debatte um künstliches Glück. Mithilfe von Neuromodulationstechniken wie Transkranieller Magnetstimulation (TMS) oder tiefer Hirnstimulation (DBS) lassen sich heute bereits Gehirnareale gezielt beeinflussen, um Symptome von Depressionen zu lindern oder sogar das subjektive Wohlbefinden zu steigern – auch wenn derartige Methoden gegenwärtig sicherlich noch weit entfernt von „perfekt“ sind. In Zukunft könnten solche Techniken möglicherweise dazu genutzt werden, um glücksähnliche Gefühle bzw. Zustände auf Abruf zu erzeugen, ohne dass reale, erlebnisorientierte Erfahrungen erforderlich sind. Nozicks Erlebnismaschine lässt grüßen.

Hier stellt sich nun auch die Frage, ob es ethisch vertretbar ist, „Glück“ als künstlich erzeugtes Gefühl zu „vermarkten“ und dauerhaft „verfügbar“ zu machen. Kritiker befürchten, dass ein solches künstliches Glück, das in naher Zukunft wohl aus technologischen und Ressourcengründen noch nicht dauerhaft sein kann (zumindest nicht „für die breite Masse“), zum einen (parallel zu Nozicks Argumenten) eine Form von Realitätsflucht darstellen und zum anderen Menschen davon abhalten könnte, sich mit den „wirklichen“ Herausforderungen und Schwierigkeiten des Lebens auseinanderzusetzen. Man mag sich an Aldous Huxleys Dystopie Schöne Neue Welt und die Droge Soma erinnert fühlen …

Außerdem stellt sich die Frage nach dem „psychologischen Risiko“: Könnte ein Leben in ständiger „Glückseligkeit“ am Ende die Fähigkeit der Menschen, mit realen Rückschlägen und Herausforderungen umzugehen, beeinträchtigen? Nicht zuletzt im Falle eines Maschinenschadens (Ausfall der Erlebnismaschine) wäre das eine sehr wichtige Frage.

Technologische Fortschritte und die gesellschaftlichen Folgen künstlichen Glücks

Wenn wir uns eine Gesellschaft vorstellen, in der Menschen zunehmend in künstliche Glückserfahrungen eintauchen, kommen notwendigerweise weitere ethische und soziale Fragen auf, die über das Individuum hinausgehen. Einerseits könnten solche Technologien potenziell psychisches Leid reduzieren, indem sie Menschen helfen, „emotionale Erleichterung“ zu erfahren. Dies könnte dann aus einer utilitaristischen Perspektive moralisch sogar geboten sein.

Andererseits könnten sie auch zur Isolation des Individuums führen, da eine „immer glückliche“ Simulation die Bedeutung von echten sozialen und emotionalen Kontakten inklusive aller natürlichen Herausforderungen mindert (vorausgesetzt, die Simulation wäre nicht wie bei Nozick dauerhaft/lebenslänglich verfügbar und es wäre zugleich nicht möglich, die Künstlichkeit der Erfahrung zu vergessen).

Zudem wirft die Vorstellung einer Welt, in der „künstliches Glück“ verfügbar ist, Fragen nach sozialer Gerechtigkeit und Chancengleichheit auf. Wenn diese Art von Glückszuständen nur für eine finanzstarke Elite zugänglich wäre, könnte das Ungleichheiten verstärken und eine gespaltene Gesellschaft entstehen lassen, in der „Glück“ zu einem teuren Luxusgut wird.

Das Recht auf Authentizität und die ethische Herausforderung der Erlebnismaschine

Letztlich führt das Gedankenexperiment der Erlebnismaschine zu einem tiefgreifenden Dilemma in Bezug auf das Recht des Einzelnen auf ein „authentisches“ Leben. Befürworter könnten argumentieren, dass jeder Mensch die Freiheit haben sollte, sich für ein Leben in einer virtuellen oder künstlich erzeugten Glückswelt zu entscheiden, solange er dabei niemandem schadet. Doch stellt sich auch die Frage, was wir als Gesellschaft verlieren, wenn sich immer mehr Menschen dafür entscheiden, ein Leben in „echtem“ Glück und echten Erlebnissen gegen ein künstlich erzeugtes Wohlbefinden einzutauschen.

So stehen wir möglicherweise vor einer Zukunft, in der wir uns fragen müssen, ob Glück nicht mehr ein Produkt oder Resultat von Erlebnissen und Handlungen ist, die wir aktiv gestalten, sondern zu einer „Dienstleistung“ wird, die wir jederzeit erwerben können. Diese Entscheidung könnte fundamentale Werte in Frage stellen und zu einer Entfremdung von uns selbst und der realen Welt führen.

Jetzt interessiert mich: Würdest du dich an die Nozick’sche Erlebnismaschine anschließen lassen oder ist für dich Glück mehr als nur das Erleben von einem dauerhaften, künstlich erzeugten Wohlbefinden? Schreib deine Gedanken gerne unten in die Kommentare.

Anmerkungen

* Das Gedankenexperiment taucht zuvor bereits in Anarchy, State, and Utopia (1974) auf. Alle Nozick-Zitate in diesem Artikel entstammen jedoch der deutschen Übersetzung von The Examined Life (Übers. M. Pfeiffer, Hanser, 1991), hier zitiert nach K. Draken & J. Peters (Hrsg., Reclam, 2022): Das gute Leben: Philosophieren mit Songs und Texten, S. 203-207.

** Experience machine im Original ließe sich statt mit Erlebnismaschine sicherlich auch (wie in der Übersetzung geschehen) als Erfahrungsmaschine übersetzen. Ich bevorzuge den Begriff Erlebnis.

Interessant auch: Kawall, J. The Experience Machine and Mental State Theories of Well-being. The Journal of Value Inquiry 33, 381–387 (1999).

Mehr zur Philosophie des Glücks findet ihr u. a. in folgenden Artikeln:

Fotos: Pixabay

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  • André Martens, Glücksquellen

    André Martens ist studierter Philosoph (M. A.) und Psychologe (M. Sc.) mit mehrjähriger Erfahrung im Bereich der klinischen Psychologie. Er ist der Gründer des Blogs gluecksquellen.de. Seit vielen Jahren beschäftigt er sich privat und professionell mit dem Thema Glück.

Ein Gedanke zu „Robert Nozick: Die Erlebnismaschine und das Glück“
  1. Ich möchte auf keinen Fall das Glück über eine Maschine erleben. Das real Leben entsteht aus Glück und Unglück und ich möchte beides selber erleben.

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