Bild eines Konzerts zur Veranschaulichung von Robert Nozicks Erlebnismaschine

Was hat es mit dem berühmten Gedankenexperiment der Erlebnismaschine (experience machine) des amerikanischen Philosophen Robert Nozick auf sich? Und was hat sie mit dem Glück zu tun?

Ist Glück einfach nur ein angenehmer mentaler Zustand? Das Empfinden von Freude, Lust, Wohlgefühl? Oder ist es weit mehr als das? Würden wir ein dauerhaftes, künstlich hervorgerufenes, Empfindungsglück einem „nur normalen“ Leben, mit all seinen Höhen und Tiefen, vorziehen?

Diese oder ähnliche Fragen dürfte sich der amerikanische Philosoph und Harvard-Professor Robert Nozick (1938-2002) gestellt haben, als er über das Glück nachdachte. Seine Gedanken zum Thema Glück und richtige Lebensführung führte er u. a. in seinem 1989 erschienenen The Examined Life (dt.: Vom richtigen, guten und glücklichen Leben, 1993) aus. Zu diesem Zeitpunkt hatte ihn sein Buch Anarchy, State, and Utopia (1974) bereits auf den Olymp der (politischen) Philosophie des 20. Jahrhunderts katapultiert.

Robert Nozick: Glück und die Erlebnismaschine

In The Examined Life* stellt Robert Nozick ein für die Philosophie des Glücks äußerst spannendes Gedankenexperiment vor, nämlich die so genannte Erlebnismaschine.**

Hierbei handelt es sich um eine Maschine, an die sich Menschen anschließen lassen können, um fortan dauerhaft durch künstlich produzierte Erlebnisse bzw. Erfahrungen jede nur erdenklich positive, lustvolle, angenehme Empfindung zu verspüren, also beispielsweise das Erleben von Freude, Lust, Wohlbefinden u. ä.

Die Erlebnismaschine löst also dauerhafte positive mentale (innere) Erlebniszustände aus, ganz ohne unser eigenes Zutun!

Nozick schreibt:

„Stellen Sie sich eine Maschine vor, die Ihnen jede beliebige Erfahrung (oder Folge von Erfahrungen) vermitteln könnte, die Sie sich wünschen würden. Wenn Sie an diese Erfahrungsmaschine angeschlossen sind, können Sie die Erfahrung haben, ein großes Gedicht zu schreiben oder den Weltfrieden herbeizuführen oder jemanden zu lieben und wiedergeliebt zu werden. Sie können die Empfindungsfreuden dieser Dinge erfahren, wie sie sich von „innen“ anfühlen. Sie können Ihre Erfahrungen für den nächsten Tag oder die kommende Woche oder das kommende Jahr oder gar für den Rest Ihres Lebens programmieren.“ (S. 204*)

Nozick fügt noch hinzu, dass selbstverständlich auch andere Menschen die Chance bekommen würden, sich an die Maschine anzuschließen. Man bräuchte sich also quasi keine Gedanken machen, rein „egoistisch“ zu handeln. Außerdem werde man sich nach dem Anschließen nicht mehr daran erinnern, angeschlossen zu sein, „so werden keine Freuden dadurch zerstört werden, daß man sie als maschinell produziert durchschaut“ (S. 205*).

Eine wahre Glücksmaschine, möchte man meinen!

In einer Zeit, in der sich die Neurowissenschaften und Gentechnik gefühlt exponentiell weiterentwickeln und eine gezielte Manipulation bestimmter, glücksassoziierter Gehirnregionen u. a. durch Psychopharmaka immer erfolgreicher wird, erscheint Nozicks Glücksmaschine sicherlich alles andere als völlig utopisch. Gerade auch, wenn man an die neuen „Welten“ der virtual reality denkt!

Frau mit VR-Brille auf Fahrrad, nicht zum Nachmachen empfohlen ...

Nozick: Glück mehr als nur angenehme mentale Zustände

Nach Nozick solle das Gedankenexperiment bei uns eine bestimmte Frage aufwerfen, nämlich: „Kommt es uns nur auf unsere inneren Gefühle an?“ (S. 205*) Gemeint sind hier natürlich die positiven und angenehmen.

Anders gefragt: Ist Glück mit diesen angenehmen mentalen Zuständen identisch?

Nozick fragt seine Leser schließlich: „Würden Sie sich dafür entscheiden, dies (sich an die Erlebnismaschine anschließen, A. M.) für den Rest Ihres Lebens zu tun? Wenn nicht, warum nicht?“ (S. 204*)

Wäre „Glück“ unser primäres Ziel und mit möglichst vielen positiven Gefühls- bzw. allgemeiner: Erlebniszuständen identisch (wie einige Anhänger des sog. Hedonismus behaupten), so wäre es doch völlig irrational, sich nicht dauerhaft, bis zum Tod, an jene fantastische Maschine anschließen zu lassen … Oder?

Nozick argumentiert jedoch in der Folge (oder sagen wir: lässt seine Intuition sprechen), dass durchaus Gründe vorgebracht werden können, sich nicht an die Maschine anschließen zu lassen.

Er schreibt:

„Uns ist an mehr gelegen als nur daran, wie sich Dinge für uns von innen anfühlen; es gibt mehr im Leben als sich glücklich fühlen. Uns liegt an dem, was tatsächlich der Fall ist. Wir wollen, daß bestimmte Situationen, die wir achten, schätzen und für wichtig halten, tatsächlich zutreffen und so sind. (…) (W)ir wollen, daß unsere Emotionen oder ein gewisser Teil von ihnen, der wichtig ist, auf Tatsachen beruhen, die gelten, und daß sie passend sind. Wir wollen in gewichtiger Weise mit der Wirklichkeit verbunden sein und nicht in einem Wahn leben. (…) Was wir wollen und schätzen, ist eine tatsächliche Verbindung zur Wirklichkeit (…).“ (S. 206*)

Nozick ist der Auffassung, „sich mit seinen Annahmen, Bewertungen und Emotionen auf die äußere Wirklichkeit auszurichten ist wertvoll an sich, nicht nur als Mittel zu mehr Lust oder Glück.“ (ebenda*)

Weitere Argumente gegen Nozicks Erlebnismaschine

In Anarchy, State, and Utopia führt Nozick noch etwas konkreter Gründe aus, die Glücksmaschine abzulehnen:

Wir wollen Dinge tun, nicht nur die Erfahrung/das Erlebnis haben, sie zu tun (vgl. z. B. Nozicks‘ Beispiel des herbeigeführten Weltfriedens).

Wir wollen ein bestimmter Mensch sein, nicht nur z. B. ein Körper in einem Sci-Fi-Tank oder hinter einer VR-Brille.

Zu ergänzen wäre das Argument, dass man in der Erlebnismaschine seine Liebsten (Partner, Familie, Freunde, …) niemals wiedersehen würde, allenfalls Simulationen von ihnen. Aber vielleicht hat die Realität, jenseits der Maschinen-Realität, ja einen Wert per se?

Ein weiteres Argument gegen die Erlebnismaschine könnte sein: Vielleicht wollen Menschen nicht einfach nur angenehme mentale Zustände erleben, sondern sich diese erarbeiten, erwirken, durch Bemühung erreichen, oder auch durch Zufall, unerwartet, „erhalten“. Einfach so, gewissermaßen grundlos, erfahrene „Glückszustände mit Ansage“ könnten als schal und wertlos erachtet werden.

Kritik des blanken Hedonismus abseits von Nozick

In weiteren Artikeln (z. B. Epikur über Glück und Lust) werde ich demnächst noch genauer auf die Philosophie des Hedonismus eingehen sowie auf weitere kritische Einwände, teilweise dargestellt in literarischen Werken wie z. B. Aldous Huxleys Brave New World / Schöne neue Welt.

Jetzt interessiert mich: Würdet ihr euch an die Nozick’sche Erlebnismaschine anschließen lassen oder ist für euch Glück mehr als nur das Erleben von einem dauerhaften, künstlich erzeugten Wohlbefinden? Schreibt eure Gedanken gerne unten in die Kommentare.

Anmerkungen

* Das Gedankenexperiment taucht zuvor bereits in Anarchy, State, and Utopia (1974) auf. Alle Nozick-Zitate in diesem Artikel entstammen jedoch der deutschen Übersetzung von The Examined Life (Übers. M. Pfeiffer, Hanser, 1991), hier zitiert nach K. Draken & J. Peters (Hrsg., Reclam, 2022): Das gute Leben: Philosophieren mit Songs und Texten, S. 203-207.

** Experience machine im Original ließe sich statt mit Erlebnismaschine sicherlich auch (wie in der Übersetzung geschehen) als Erfahrungsmaschine übersetzen. Ich bevorzuge den Begriff Erlebnis.

Interessant auch: Kawall, J. The Experience Machine and Mental State Theories of Well-being. The Journal of Value Inquiry 33, 381–387 (1999).

Mehr zur Philosophie des Glücks findet ihr u. a. in folgenden Artikeln:

Fotos: Pixabay

Von André Martens

André Martens ist studierter Philosoph und Psychologe mit mehrjähriger Erfahrung im Bereich der klinischen Psychologie. Er ist der Gründer des Blogs gluecksquellen.de. Seit vielen Jahren beschäftigt er sich privat und professionell mit dem Thema Glück.

Ein Gedanke zu “Robert Nozick: Die Erlebnismaschine und das Glück”
  1. Ich möchte auf keinen Fall das Glück über eine Maschine erleben. Das real Leben entsteht aus Glück und Unglück und ich möchte beides selber erleben.

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