Marc Aurel Büste, Philosoph
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In der Rubrik „Glücksessays“ beschäftige ich mich heute aus einer philosophischen Perspektive mit der Frage, ob Glück objektiv bestimmbar ist oder es in der Konzeption immer eine gewissermaßen subjektive, individuelle Komponente geben wird.

In der Antike nahmen viele Philosophen an, dass Menschen quasi von Natur aus nach Glück streben. Ein prominentes Beispiel war Aristoteles mit seiner Nikomachischen Ethik. Ihre Ansichten divergierten jedoch, sobald es um die Art und Weise dieses Strebens ging. Um die richtige, glückszuträgliche Lebensführung. Etwas moderner formuliert: Wie/wodurch erlangt man Glück? Welche Glücksstrategien sind die besten? Zwar waren sich die meisten antiken Philosophen darin einig, dass das Streben nach Glück mit dem Führen eines guten Lebens zusammenhängt, und letzteres mit einem so genannten tugendgemäßen Leben. Tugenden waren dabei quasi Mittel zum Zweck (= Glück). Sich Tugenden wie Tapferkeit, Weisheit, Gelassenheit oder Milde aneignen/-trainieren und sie leben, hieß gewissermaßen, ein glückliches Leben führen. Freilich propagierten verschiedene antike „Schulen“ unterschiedliche Tugendkataloge. Kein Kanon wie der andere.

Glück als etwas Objektives?

Nun, einerseits stört mich manchmal der latent präskriptive Charakter derartiger Glückskonzeptionen. Aber das wird vielleicht noch Inhalt eines weiteren Essays. Andererseits schwingt bei ihnen meiner Ansicht nach zumeist ein einschüchternder Objektivismus mit, der der Individualität bzw. Subjektivität die Luft nimmt. Glück: das ist das-und-das. Ein wenig ähneln derartige Positionen der modernen psychologischen Glücksforschung, welche ja auch die Faktoren eines glücklichen Lebens, bzw. des Glücks, identifizieren will. Diese werden, kulturell unterschiedliche Realisierung hin oder her (Freiheitsgrade an der Kette), überwiegend als universell bzw. allgemeinmenschlich aufgefasst. Sprich: man identifiziert, z. B. durch Studien, eine Reihe von objektiven Glücks-Faktoren, aus welchen sich dann wiederum wissenschaftlich basierte Glücks-Interventionen ableiten lassen, also Strategien, die es dem Einzelnen ermöglichen sollen, sich mehr Glück ins Leben zu holen. (Vgl. jedoch auch den kurzen Exkurs am Ende dieses Artikels für eine wichtige Ergänzung!)

Ich bekenne: Ich glaube zwar inzwischen auch, dass „Glück“ einen universellen, gleichsam objektiven Kern hat. Dies habe ich in meiner eigenen kleinen Glückstheorie auszudrücken versucht (universelle Grundbedürfnisse, aber z. B. kulturell unterschiedliche „Realisierungen“, Äquifinalität). Dennoch möchte ein Teil von mir nicht gänzlich von jener Intuition ablassen, die meiner Einschätzung nach sehr viele Menschen teilen würden – nämlich, dass es das Glück nicht gibt. Und Glück immer etwas Individuelles, je Eigenes ist, das sich aus individuellen, zumindest nicht gänzlich verallgemeinerbaren Quellen speist.

Ein Sonnenuntergang macht nicht jeden Menschen immer glücklich – und manche sogar niemals. Eine Familiengründung trägt nicht für jede/n zum Lebensglück bei, obwohl sie aufs Bindungsbedürfnis „einzahlt“. Usw.

Und nicht umsonst spreche ich in meiner eigenen Glücksdefinition nur von einer hinreichenden Befriedigung von Grundbedürfnissen, ahnend, dass selbst wenn sich bestimmte menschliche Grundbedürfnisse eines Tages als wirklich objektiv, universell, allgemeinmenschlich herausstellen sollten (ja, das wäre mal wieder ein „Kanon“), es immer noch ein Rätsel bleiben wird, wann exakt ein solches hinreichend befriedigt ist (Kontinuumsproblem). Mir will nicht einleuchten, dass es hier jemals so etwas wie Objektivität geben könnte, frei von subjektiver Wertung/Beurteilung/Grenzziehung.

Und dann gibt es da ja auch noch das Empfindungsglück, von dem bereits in anderen Artikeln die Rede war. Man könnte vielleicht sagen: jene Komponente des Glücks, die nur das Individuum erleben, spüren, fühlen kann, die nur in seinem Bewusstsein, Gewahrwerden oder wie auch immer man es nennen mag, existiert. Ich fühle mich an das Konzept der Qualia aus der Philosophie des Geistes erinnert.

Nun, wie dem auch sei. Vielleicht spielt es auch eine völlig untergeordnete Rolle, ob Glück nun etwas Objektives ist oder nicht. Beziehungsweise ob wir diesbezüglich jemals Gewissheit haben werden oder nicht.

Exkurs: Subjektivität des Glücks in der Glücksforschung

Weiter oben stellte ich die These auf, dass sich die moderne – überwiegend psychologische – Glücksforschung mit der wissenschaftlichen Identifizierung von Glücksfaktoren in deutlich objektivistischen Fahrwassern bewegt. Interessanterweise gilt dies jedoch nicht für das untersuchte Konstrukt selbst, also das Glück. So schreibt beispielsweise die bekannte Glücksforscherin Sonja Lyubomirsky (University of California / Riverside):

Da es kein objektives „Glücksthermometer“ gibt, verlassen sich Wissenschaftler meist auf Selbstaussagen. Für meine Untersuchungen habe ich einen einfachen Fragebogen mit vier Punkten entwickelt, den ich die „Subjektive Glückskala“ nenne. Der Titel passt, da Glück eine subjektive Erfahrung ist und aus der Sicht eines jedes einzelnen definiert werden muss. Nur Sie selbst wissen, wie glücklich Sie selbst sind.

Sonja Lyubomirsky, Glücklich sein, S. 41

Auch wenn ich selbst mit einer gewissen Subjektivität des Glücks liebäugele, denke ich, dass hier Verschiedenes voreilig vermischt wird. Einerseits das subjektive Erleben des Glücks (und den exklusiven „Zugang“ des Einzelnen zum je eigenen Glücksempfinden, vgl. „Qualia“). Andererseits eine objektive Bestimmung des Konstruktes (und Begriffs) selbst. Man ersetze im Lyubomirsky-Zitat „Glück“ durch „Intelligenz“: Ich bin mir sicher, dass es in der wissenschaftlichen Community nicht unwidersprochen bleiben würde.

Und was sind eure Meinungen zum Thema? Schreibt es gerne in die Kommentare.

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  • André Martens

    André Martens ist studierter Philosoph und Psychologe mit mehrjähriger Erfahrung im Bereich der klinischen Psychologie. Er ist der Gründer des Blogs gluecksquellen.de. Seit vielen Jahren beschäftigt er sich privat und professionell mit dem Thema Glück.

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