Wut und Glück: Gibt es einen Zusammenhang?

Viele Menschen haben Angst vor dem Gefühl der Wut und werten dieses ab. Dabei ist ein positives Verhältnis zur Wut für unser Glück sehr bedeutsam.

Wut: eine unbeliebte Emotion

Sie ist nicht gerade die beliebteste Emotion, die Wut. Und mit ihr, ihre ganze Familie: Ärger, Verärgerung, Hass, Groll & Co. Und klar: Sie kann extrem destruktiv werden, zerstörerisch. Wenn sie sich beispielsweise lange aufgestaut hat und plötzlich entfesselt wird, sollte man lieber in Deckung gehen.

Wir leben, so mein Eindruck, in einer Gesellschaft, in der insbesondere – aber nicht nur – Frauen Wut von kleinauf überwiegend verboten und aberzogen wird. In der selbst bei latent aggressiven Männern schnell von toxischer Männlichkeit die Rede ist und einzelne „toxische“ Personen oder kleine Gruppen im Feuilleton von „der Öffentlichkeit“ regelrecht gesellschaftlich hingerichtet werden.

Wut und Co. – wozu ich auch Aggressivität (von lat. aggredi: heranschreiten, angreifen) in allen Nuancen zähle – haben ein ziemlich schlechtes Standing.

Zynisch gesprochen: eigentlich verwunderlich in einem Land, das zu den größten Waffenexporteuren des Planeten zählt und inzwischen auch an Länder Waffen liefert, die sich in Kriegen oder bewaffneten Konflikten mit Hunderttausenden, überwiegend „unschuldigen“, Toten befinden.

Wenn ich die Wahl zwischen dieser fatalen, bellizistischen Destruktivität und der „Familie der Wut“ hätte, würde ich immer letztere wählen. Hierzulande, so mein Eindruck, sieht es bei sehr vielen Menschen eher andersherum aus.

Wut ist evolutionär offenbar sinnvoll

In der Psychologie, behaupte ich einfach mal, besteht seit über hundert Jahren der Konsens, dass Wut etwas ganz Natürliches, Nützliches, Normales und Wichtiges ist. Wut ist ein Gefühl, aus dem per se keine (destruktive) Handlung erfolgen muss. Würde Wut immer automatisch zu destruktivem Verhalten führen, so hätte die Evolution sie ganz gewiss längst „wegselektiert“.

Wut hat eine Funktion, sie kann funktional sein. Sie ist eine Information, eine Hinweisgeberin, ein „intrapsychischer Ratschlag“. Wut ist eine Beraterin. Gewiss, manchmal irrt sie. Wir können ihr folgen oder auch nicht. Aber wir sollten sie anhören und beachten, nicht verleugnen und gänzlich verdrängen.

Grenzverletzungen und das Gefühl der Wut

Sie weist uns oft darauf hin, dass unsere Grenzen verletzt wurden, dass ich ungerecht behandelt werde, dass ich raus aus einer Ohnmachtsfalle möchte und – um meiner seelischen Gesundheit willen – muss. Wut setzt einen Impuls, setzt Energie frei, setzt uns in Gang.

Dieser Artikel soll keine Verteidigungsrede der Wut in allen Fällen sein. Natürlich gibt es Formen der Wut, bei denen sich diese verselbstständigt und übers Ziel hinausschießt (und in Richtung Groll, Hass etc. geht). Und es gibt impulsive, krasse Wutausbrüche (oft auch im Zusammenhang psychischer Erkrankungen), teils auch mit gewalttätigem und anderem zerstörerischen Verhalten einhergehend, die nichts besser, sondern alles schlechter machen. Hier geht es dann tatsächlich um Regulation und ein Aufarbeiten der biographischen Bedingungen und aktuellen Auslöser.

Ich glaube aber, dass die klassische Standard-Wut, die ira simplex sozusagen, ungefährlich ist, wenn wir gelernt haben, sie angemessen auszudrücken und mit ihr umzugehen. Wut muss nicht immer „wegreguliert“ und „weggesperrt“ werden. Ein Streit darf mit Ärger und Wut einhergehen.

Wenn sie frei im seelischen Gesamtsystem fließen darf und wir über Ventile und ein Gespür für das richtige Maß des „Drucks“ verfügen, so dass es nicht zu „Unfällen“ und destruktiven „Ausbrüchen“ kommt, ist sie nicht nur harmlos, sondern auf lange Sicht auch wichtig für unsere Gesundheit.

Wut und Glück sind miteinander verbunden

Wer berechtigte, legitime Wut dauerhaft zurückhält und „deckelt“, riskiert seine Gesundheit und riskiert tatsächlich einen „Dammbruch“ (Explosion, Wutausbruch/Wutanfall), den ja viele Menschen fürchten. Oder sie drückt sich irgendwann in passiv-aggressivem Verhalten aus, oder führt zu beißendem Zynismus, Sarkasmus und Verbitterung. Alles nicht gesund …

Wut ist aber nicht nur ein Gefühl, sondern wie erwähnt oft auch eine Hinweisgeberin – nämlich dass Grundbedürfnisse von uns verletzt und frustriert wurden oder werden. So gesehen hat Wut zum Glück eine direkte Verbindung.

Wer sich mehr für das Verhältnis von Glück und Bedürfnissen interessiert, dem empfehle ich auch meinen Artikel „Glück: (M)eine Definition des Begriffs“ für weitergehende Gedanken hierzu.

Wut kann etwas sehr Positives sein. Es mangelt uns allerdings oft an Vorbildern für ein gesundes Verhältnis zur Wut und Aggressivität, an Modellen für einen guten Umgang mit ihr. So dass sie zu einer guten Beraterin und Energiequelle werden kann, mit der wir für die bessere Befriedigung unserer Grundbedürfnisse und somit für unser Lebensglück eintreten können.

Nun interessiert mich deine Sicht auf das Gefühl der Wut und seinen Zusammenhang zum Glück. Berichte gerne unten in den Kommentaren.

Foto: Pixabay

Von André Martens

André Martens ist studierter Philosoph und Psychologe mit mehrjähriger Erfahrung im Bereich der klinischen Psychologie. Er ist der Gründer des Blogs gluecksquellen.de. Seit vielen Jahren beschäftigt er sich privat und professionell mit dem Thema Glück.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner