Annäherungs- vs. Vermeidungsziele versinnbildlicht anhand einer Dartsscheibe

Der heutige Glücksimpuls stellt zwei in der modernen Verhaltenstherapie wichtige Begriffe vor: Annäherungsziele und Vermeidungsziele. Und schlägt den Bogen zum Thema Glück.

Was sind Annäherungsziele & Vermeidungsziele?

Annäherungsziele beziehen sich darauf, etwas Positives zu erreichen bzw. zu erlangen. Beispielsweise könnte jemand als Annäherungsziel haben, sich in Form einer Ausbildung oder eines Studiums weiterzuqualifizieren. Oder man möchte sich ein Auto kaufen und spart auf dieses hin. Oder man möchte mehr Nähe und Intimität in einer Partnerschaft erleben. Bei Annäherungszielen geht es, wie der Name schon sagt, darum, sich etwas oder einem Zustand anzunähern.

Vermeidungsziele beziehen sich hingegen darauf, was man nicht (erleben, haben) möchte. Beispielsweise vermeiden es viele Menschen, unangenehme Gefühle wie Angst oder Traurigkeit erleben zu müssen (sofern das überhaupt geht). Vermeidungsziele, könnte man also sagen, weichen etwas aus.

Vermeidungsziele sind häufig kurzfristig ziemlich attraktiv, da man etwas Unangenehmes nicht erleben muss, es also gewissermaßen umgehen kann. Das Problem mit ihnen ist jedoch, dass wir vom eigentlichen Pfad abkommen, wenn wir uns gänzlich von Vermeidungszielen leiten lassen. Wer, z. B. um keine Angst spüren zu müssen, Feiern vermeidet, verpasst vielleicht so einiges: neue Kontakte zu knüpfen, Spaß in geselliger Runde zu haben, ja vielleicht sogar die Liebe des Lebens zu finden.

Vermeidungsziele haben einen Preis

Natürlich sind Vermeidungsziele nicht immer schlecht bzw. wenig hilfreich. Ein Vermeidungsziel im weiteren Sinne könnte etwa sein, nicht wieder und wieder von einer Person emotional verletzt zu werden und diese (weil sie sich leider nicht ändert) künftig zu meiden. Das ist sicherlich schlau und gesund. Und auch Annäherungsziele im weiteren Sinne sind nicht per se gut, etwa wenn sich jemand eine Straftat als Annäherungsziel setzt. Im engeren Sinne, wie in den obigen Definitionen, lässt sich jedoch sagen, dass ein Vermeidungsziel zu verfolgen einen (teils hohen) Preis hat, da man dann häufig nicht mehr auf dem Weg wandelt, den man eigentlich gehen wollte. Man rennt davon statt hinzulaufen.

Zugleich gehen ambitionierte Annäherungsziele meist mit Herausforderungen einher. Wer sich gänzlich auf eine Liebesbeziehung einlassen möchte oder eine Ausbildung erfolgreich beenden, eine Firma gründen usw., der wird so manch aufwühlendes Gefühl durchleben und vielleicht sogar den einen oder anderen inneren Abgrund. Aber nur diese Person hat letztlich die Chance, erfolgreich das eigentliche, positive, sinnstiftende Ziel zu erreichen und die Früchte der eigenen Mühen und des Mutes zu ernten.

Annäherungspläne und Vermeidungspläne

Der Psychotherapeut Gerhard Zarbock unterscheidet anknüpfend an die Forschungsarbeiten von Klaus Grawe Annäherungs- und Vermeidungspläne, wobei eine von meinem obigen Verständnis etwas abweichende Konzeptualisierung gewählt wird: „Annäherungspläne sind positiv formuliert und haben oft die Befriedigung von Grundbedürfnissen zum Ziel. Beispiele wären: „Wahre Kontrolle, demonstriere deine Stärke, gewinne Menschen für dich.“ Vermeidungspläne sind ähnlich konzipiert und wollen einen drohenden Verlust oder ein drohendes Risiko abwenden. Beispiele wären: „Vermeide, verlassen zu werden, vermeide, im Mittelpunkt zu stehen, vermeide Kontrollverlust.““ (Praxisbuch Verhaltenstherapie, 5. Auflage, S. 310). Vermeidungspläne dienen gewissermaßen dem Verhindern von Grundbedürfnisfrustrationen, während nach meinem Verständnis Vermeidungsziele selbst zur Frustration von Grundbedürfnissen wie z. B. Bindung, Autonomie und Kontrolle beitragen können.

Ein Fragebogen, der in der Tradition Klaus Grawes Annäherungs- und Vermeidungsziele (bzw. in anderer Terminologie: -pläne) sowie ihr Verhältnis zueinander misst, ist der FAMOS (Fragebogen zur Analyse motivationaler Schemata). Dieser wird typischerweise zur Erfassung von möglichen Therapiezielen eingesetzt.

Der Zusammenhang von Glück und Annäherungszielen bzw. Vermeidungszielen

Ich finde die Unterscheidung von Annäherungs- und Vermeidungszielen auch für das Glücksthema sehr spannend. Wenn wir es z. B. aus starker Angst heraus immer wieder vermeiden, Dinge zu tun, die uns mehr Lebensfreude verschaffen könnten und unsere natürlichen Grundbedürfnisse befriedigen, schmälern wir unser Glück. Zugleich gibt die Kenntnis unseres persönlichen Lebenszwecks (Wo will ich hin? Was ist mir wichtig? Was ist wertvoll für mich? Und was für ein / welches Leben möchte ich leben?) eine orientierende Richtung vor und Kraft in Phasen des Durchhängens und (temporären) Scheiterns. Wer immer nur vermeidet, läuft ein Leben lang vor etwas davon. Wer aber weiß, wohin er/sie möchte, wird leichter auch die Teilschritte erkennen, die den Weg dorthin ausmachen.

Ich persönlich glaube, dass Glück etwas ist, das daraus erwächst, dass wir uns für uns persönlich wichtigen Dingen annähern und diese anstreben. Es entsteht nicht daraus, dass wir Dinge, die uns unangenehm sind, um jeden Preis vermeiden.

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Foto: Pixabay

Von André Martens

André Martens ist studierter Philosoph und Psychologe mit mehrjähriger Erfahrung im Bereich der klinischen Psychologie. Er ist der Gründer des Blogs gluecksquellen.de. Seit vielen Jahren beschäftigt er sich privat und professionell mit dem Thema Glück.

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